Ich denke, die Gesellschaft ist schon immer verkommen gewesen und dieser moralische Verfall kein Produkt der Neuzeit. Es gehört zur Menschheit, daß beschissen und manipuliert wird, wo es nur geht. Frappierend ist nur, daß in letzter Zeit, also in den letzten paar Jahren, derart viel aufgedeckt wurde. Die Skandale ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Sportarten. Mein Eindruck ist dabei, daß trotz der weitreichenden Berichterstattung, in dessen Zuge natürlich mehr Skandale aufgedeckt werden können, die Beeinflussung und das Verschaffen eines unlauteren Vorteils an Bedeutung gewonnen hat. Ich kann schwer sagen, ob der Betrug an der Konkurrenz und am Ende sich selbst sich ausgeweitet hat. Jedenfalls gehe ich davon aus, daß die Bemühungen ausgeweitet wurden, nicht zuletzt, weil die Öffentlichkeit sensibilisiert und etliche Kontrollen eingeführt wurden. Wasserdicht sind die Maßnahmen der letzten Jahrzehnte natürlich auch nicht und die Anstregungen, den Sport von Manipulation zu befreien, womöglich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Oder die Maßnahmen sind gar nur die Notwendigkeit, damit die Profitierenden ihre wirtschaftlichen Interessen wahren können. Je "professioneller" eine Sportart betrieben wird und je mehr es zu verdienen gibt, desto größer der Dunstkreis der verdorbenen Seelen, die daraus ihren Profit ziehen wollen - egal mit welchen Mitteln.
Die Motive für den Berufssport wurden schon genannt. Grundsätzlich ist das Wort ein Widerspruch in sich, weil der ursprüngliche Sinn des Sports noch weiter in den Hintergrund gerückt wird, so daß sämtliche Egos unserer Leistungsgesellschaft volle Fahrt aufnehmen können, allerdings muß es ganz klar gebraucht werden und ist heute richtig. Sportler sind in den meisten Fällen leider Menschen, das heißt, sie stellen ihre ganz persönlichen Absichten über die der Allgemeinheit. Das Menschsein mit all seinen häßlichen Zügen wie Egozentrik, mangeldem Unrechtsbewußtsein und Geltungsdrang verhindert, daß in der Spitze ein moralisch einwandfreier Wettbewerb überhaupt möglich ist. Zuviele Köche, die sich um den Löffel streiten. Zuviele Interessen, die aufeinander prallen. Ich könnte Stunden darüber lamentieren, was alles falsch läuft. Fakt ist, daß die Vermengung von Ökonomie in einer kapitalistischen Gesellschaft mit Sportsgeist nur bis zu einem wirklich geringen Punkt möglich ist. Selbst ohne Erwerbsansprüche wäre es ein Unding, unmoralische Motive gänzlich auszuschalten. Kapital ist Gift für den Sport. Natürlich ist es unter anderem eine zusätzliche Motivation, damit hat es sich aber schon.
Berufssportler sind keine Vorbilder. Daß diese als solche überhaupt in Betracht gezogen werden, zeigt nur, wie beschränkt der menschliche Geist ist. Klar stehen sie im Fokus und werden vom überwiegenden Teil der Menschheit verfolgt, ihre Handlungen und Äußerungen haben eine Wirkung, keine Frage. Doch muß man beim durchschnittlichen Verdienst aller Berufsarten, die entfernt etwas mit Sport früher zu tun hatten und das öffentliche Interesse am meisten bedienen, sehen, in welcher Relation ihr auferlegter Status und die Leistung stehen. Ich will damit sagen, daß ich den Teufel tun werde und mir einen Sportler, der Millionen im Jahr einstreicht und diese sogar fordert, als ein Vorbild nehme. Das wäre beschränkt. Natürlich läßt sich nicht ausschließen, daß doch mancher Berufssportler einen unverdorbenen Charakter hat, in dem Fall könnte jemand eine Art Leitfigur sein. Aber nur aufgrund seines Ichs und nicht wegen seiner Position. Vorbilder sind eher Geringverdiener, die trotzdem voller Motivation und Tatendrang stecken. Ob das ein Mensch aus einer kaum beachteten, unverdorbenen Randsportart, jemand aus der freien Wirtschaft, der sich den Rücken krumm schuftet, oder mein Nachbar ist, spielt keine Rolle. Optimalerweise hat man Vorbilder in der Familie... Ich lasse mich nicht von Statussymbolen blenden. Mich interessiert zwar, wie sich beispielsweise die Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation schlägt und wie die einzelnen Fußballer gespielt haben, mir ist es aber herzlich egal, was derjeniege in seinen eigenen vier Wänden macht. Und ohne das zu wissen, kann jemand schlecht ein Vorbild sein, der sich in den Medien entsprechend präsentieren muß, um seinen Status zu sichern. Und die Fähigkeit, in bestimmter Weise gegen einen Ball treten zu können, nehme ich mir erstrecht nicht zum Vorbild. Tut auch kein Showmensch umgekehrt mit mir. Ich will ich sein und kein Abziehbild.
Nun ja, in Bezug auf jüngere Menschen haben Berufssportler zwangsläufig eine Art Vorbildfunktion. Das hat sich mit sämtlichen Marketing-Artikeln und der allgemeinen unverhältnismäßigen Bewunderung für die Leistungen so eingebürgert, leider. Alles, was Aufmerksamkeit auf sich zieht, scheint irgendwie für die Zielgruppe toll zu sein. Unverdorbene Träumereien der kleinen hin, jugendlicher Fanatismus her, die Entwicklung ist fatal. Erst das schafft die Grundlage dafür, daß wir uns an etwas gewöhnen, das uns später über etliche Jahre hinweg das Geld aus den Taschen zieht und nach immer mehr geifert. Nehmen wir den Fußball: Rekordumsatz auf Rekordumsatz, die Schraube wird solange weitergedreht, bis das Gewinde im Arsch ist. Und anschließend ist das Geflenne groß... Man ist als Anhänger eines höchstklassig spielenden Klubs heute kein Anhänger eines Vereins mehr, sondern einer eines Wirtschaftsunternehmens. Soweit sind wir gekommen. Und als ob all die vielfaltigen Einnahmen und Preissprialen noch nicht reichen würden, wird für die ewige Treue der Anhängerschaft das Konsumgut zum Luxus erhoben und im Pay-TV vermarktet. Da schlage ich mir doch vor den Kopf. Wer sich tatsächlich fragen sollte "Wieso? Kostet doch nicht viel.", dem kann ich auch nicht weiterhelfen. Wie gesagt, man gewöhnt sich an ein Unterhaltungsgut und solange man sich unterhalten fühlt, bringt man Stück für Stück mehr dafür auf. Eben jene Bereitschaft ist die Grundlage dafür, daß die Moral immer weiter verkommen kann. Solange der Zuschauer sich seiner Macht nicht bewußt ist und diese entsprechend einzusetzen weiß, ist er ein unmündiger Kapitalbeschaffer, der im Sumpf des moralischen Abfalls schwimmt.
Genau das wissen die Wirtschaftunternehmen (Vereine) und Machtbonzen (Verbände) nur zu gut, die sich um eine weiße Weste bemühen, um den Kunden gefügig zu halten. Die Verpflichtung für eine Vorbildfunktion ist eine kommerzielle Notwendigkeit. Mittlerweile sind wir beinahe an dem Punkt, daß sich bestimmte Sportarten noch ohne einen einzigen Zuschauer als profitabel erweisen würden. Oder genauer gesagt glauben das die Funktionäre, arbeiten darauf hin und lassen einen das unmittelbar spüren.
Das Thema ist jedenfalls höchst komplex und ich will meine Sichtweise nicht übermäßig veranschaulichen, weil die meisten eh schon längst abgeschaltet haben werden. Jedenfalls gibt es sicher noch genügend richtige Sportler auf der Welt, die natürlich unter Betrügern zu leiden haben. Je weniger jemand in den Medien auftaucht, desto mehr glaube ich daran, daß es ein richtiger Sportler im eigentlichen Sinne ist und über eine entsprechende Moral verfügt. Alles darüber ist Schmierentheater.