Vicarocha
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Vor über einem Jahr kam es in Großbritannien (GB) als Konsequenz auf das Klassifikationsdebakel des British Boards of Film Classification (BBFC) um Manhunt 2, d.h. der Verweigerung einer Altersklassifikation für das Spiel und des daraus resultierenden Rechtstreits um die Legitimität/Legalität der Möglichkeit des BBFC, Erwachsenenspielen die Altersklassifikation zu verweigern, zu einer intensiven Debatte über den dortigen Jugendmedienschutz bei Unterhaltungssoftware, der Rolle des BBFC beim Klassifikationsprozess und der möglichen Etablierung des PEGI-Systems als Ablösung für das BBFC.
Dies führte u.a. zur Analyse des britischen Jugendmedienschutzes in Form des letzten Jahres veröffentlichen sog. Byron Report, der diverse Handlungsempfehlungen an die Legislative GBs formulierte... nach über einem Jahr hat dieser Report Konsequenzen - der britische Jugendmedienschutz wird umstrukturiert - und das ist vor allem für diejenigen unter uns, die vorzugsweise europäische Importversionen spielen, insb. aus GB, relevant.
Ich fasse die Änderungen zusammen:
1.) Bis dato wurden Spiele in England mittels des PEGI-Systems klassifiziert. Die Ausnahme waren die Spiele, die aus Perspektive des Video Standards Council (VSC) diverse Tatbestandsmerkmale des Video Recordings Act (VRA) von 1984 erfüllten - pauschal waren das für das VSC regel-/standardmäßig generell all die Spiele, mit einer normalen PEGI-Klassifikation von "16+" und höher. Diese Spiele mußten auch vom BBFC geprüft werden. Das neue Gesetz eliminiert diese BBFC-Prüfung - das PEGI-System ist jetzt als das einzige Prüfsystem für die Prüfung aller Spiele verantwortlich, theoretisch... wären da nicht die Ausnahmen in 5.) und 6.).........
2.) Das PEGI-System in GB wird u.U. eine Modifikation, wie z.B. es z.B. in Protugal der Fall ist (und bis zum 01. Januar 2007 auch in Finnland der Fall war) - ggf. betrifft diese Modifikation aber exklusiv die content-Piktogramme und nicht die Alterskohorten.
3.) Das PEGI-System wird in GB z.T. von einem System empfehlender Altersklassifikationen zu einem System verpflichtender Altersfreigaben transformiert:
Spiele mit einer Altersklassifikation von "12+", "16+" und "18+" (gemäß aktuellem PEGI-System) dürfen nur an Kinder/Jugendliche der entsprechenden Alterskohorte verkauft werden (ob und ggf. welche anderen Abgabe- u./o. Verbreitungsverbote etabliert werden ist fraglich) - das entspricht essentiell dem USK-System der BRD. Offenbar dürfen aber Spiele mit einer Altersklassifikation von "7+" und "3+" auch ohne Sanktionen an jeweils jüngere Konsumenten verkauft werden.
4.) Spiele ohne PEGI-Klassifikation sind quasi nicht lizensiert, also illegal.
D.h.: Für die Publikation/Distribution eines Spieles ist die PEGI-Klassifikation zwingend notwendig, denn es existiert in GB (wie auch bei Filmen) die Notwendigkeit, Spiele zu lizensieren. Die erfolgreiche PEGI-Prüfung ist im Normalfall gleichzeitig eine Lizensierung, mit der in 5.) erwähnten Ausnahme - es existiert also ein Prüfzwang.
Die Prüfung erfolgt aber immer noch (wie im "normalen" PEGI-System) in Form einer Inhaltsangabe durch die Rechteurheber/-inhaber des Spieles und einer Kontrolle dieser Angabe, nicht in Form einer vollständigen Kontrolle durch eine fremde Instanz (wie es bei der USK-Prüfung z.B. der Fall ist).
5.) Das VSC wird zur kontrollierenden Instanz:
Es kontrolliert die Einhaltung der PEGI-Reglementierungen/Statuten etc. durch die Spieleindustrie und ist für Sanktionierungsmaßnahmen bei deren Nichteinhaltung verantwortlich. Sanktionen sind z.B. die Verhängung von Strafzahlungen bis zu 500.000 € und die Verweigerung der PEGI-Klassifikation (ergo der "ban" des Spiels in GB).
6.) Das VSC hat die Möglichkeit, Spielen die Prüfungsbestätigung der PEGI in GB (also die Lizensierung) auch unabhängig von den Faktoren in 5.) zu verweigern, gemäß dem Fall, dass die Inhalte des Spieles gegen diverse Tatbestandsmerkmale des VRA verstoßen - auch wenn gemäß PEGI die Inhalte nicht zu beanstanden und eigentlich zu klassifizieren wären - namentlich gewisse Gewalt- und Sex-/Erotikdarstellungen.
Mein Fazit:
GB geht einen Schritt vor (Stichwort: PEGI) und unzählige zurück (Stichwort:... ach, der Rest halt...).
Insb. 6.) ist von gewisser Ironie geprägt, entflammte die ganze Debatte auf u.a. deswegen, dass die Industrie dem BBFC das Recht aberkennen wollte, Spiele in GB quasi mit einem "ban" abzustrafen und damit auch Erwachsenen zu entziehen. War die Möglichkeit des BBFC zu dieser Erwachsenenbevormundung zuvor noch fragwürdig, soll das VSC sie nun ganz regulär und explizit zuerkannt bekommen... da etablieren sich die Briten eine Zensurbehörde, die wie die dt. Budnesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vor 2003 Spiele trotz Altersklassifikation auf Basis willkürlich interpretierbarer Tatbestandsmerkmale sanktionieren kann, aber nicht nur mit dem Mittel der Distributionsbeschränkungen (wie es z.T. - zumindest theoretisch - eine Indizierung ist), sondern dem des Verbotes (von der Wirkung her ist die Lizenzverweigerung in GB quasi wie eine ex ante-Beschlagnahmungen zu werten)...
Das kann gaaanz böse Konsequenzen haben, wie z.B. die netten Zensur-/Selbstzensureffekte, die man permanent auf dem dt. Markt beobachten kann: Spiele werden zensiert oder gar nicht erst in GB veröffentlicht.
... und man sollte sich nicht vertun, denn GB ist der wichtigste Markt in Europa, was da zensiert wird, wird u.U. auch für den Rest Europas "angepasst"... da ist nicht erst Manhunt 2 der Fall gewesen.........
Interessant ist vor allem, dass man diese Zensurinstanz auch den erwachsenen britischen Bürgern als Gewinn verkaufen will, als etwas dringend notwendiges, so als ob diese nicht selbst entscheiden könnten, was sie rezipieren möchten.
Wie habe ich es eben noch gelesen: "The United Kingdom, the new Germany"...
Da geht sie hin, die Phase zunehmender Toleranz, die der BBFC-Direktor Robin Duval noch 2001 prognostizierte (die mir aber ohnehin irgendwie entgangen ist)...
Quellen:
- New system of video games classification will help protect children - PEGI system adopted for all UK games
- Gamasutra - News - UK Government Chooses PEGI Ratings
- PEGI becomes UK standard for game ratings // News
- VSC given power to ban videogames // News
- VSC given tough powers for non-compliance of PEGI system // News
Weiterführende links findet ihr bei diesen Quellen oder gekonnter Nutzung von google.de und Co.
Dies führte u.a. zur Analyse des britischen Jugendmedienschutzes in Form des letzten Jahres veröffentlichen sog. Byron Report, der diverse Handlungsempfehlungen an die Legislative GBs formulierte... nach über einem Jahr hat dieser Report Konsequenzen - der britische Jugendmedienschutz wird umstrukturiert - und das ist vor allem für diejenigen unter uns, die vorzugsweise europäische Importversionen spielen, insb. aus GB, relevant.
Ich fasse die Änderungen zusammen:
1.) Bis dato wurden Spiele in England mittels des PEGI-Systems klassifiziert. Die Ausnahme waren die Spiele, die aus Perspektive des Video Standards Council (VSC) diverse Tatbestandsmerkmale des Video Recordings Act (VRA) von 1984 erfüllten - pauschal waren das für das VSC regel-/standardmäßig generell all die Spiele, mit einer normalen PEGI-Klassifikation von "16+" und höher. Diese Spiele mußten auch vom BBFC geprüft werden. Das neue Gesetz eliminiert diese BBFC-Prüfung - das PEGI-System ist jetzt als das einzige Prüfsystem für die Prüfung aller Spiele verantwortlich, theoretisch... wären da nicht die Ausnahmen in 5.) und 6.).........
2.) Das PEGI-System in GB wird u.U. eine Modifikation, wie z.B. es z.B. in Protugal der Fall ist (und bis zum 01. Januar 2007 auch in Finnland der Fall war) - ggf. betrifft diese Modifikation aber exklusiv die content-Piktogramme und nicht die Alterskohorten.
3.) Das PEGI-System wird in GB z.T. von einem System empfehlender Altersklassifikationen zu einem System verpflichtender Altersfreigaben transformiert:
Spiele mit einer Altersklassifikation von "12+", "16+" und "18+" (gemäß aktuellem PEGI-System) dürfen nur an Kinder/Jugendliche der entsprechenden Alterskohorte verkauft werden (ob und ggf. welche anderen Abgabe- u./o. Verbreitungsverbote etabliert werden ist fraglich) - das entspricht essentiell dem USK-System der BRD. Offenbar dürfen aber Spiele mit einer Altersklassifikation von "7+" und "3+" auch ohne Sanktionen an jeweils jüngere Konsumenten verkauft werden.
4.) Spiele ohne PEGI-Klassifikation sind quasi nicht lizensiert, also illegal.
D.h.: Für die Publikation/Distribution eines Spieles ist die PEGI-Klassifikation zwingend notwendig, denn es existiert in GB (wie auch bei Filmen) die Notwendigkeit, Spiele zu lizensieren. Die erfolgreiche PEGI-Prüfung ist im Normalfall gleichzeitig eine Lizensierung, mit der in 5.) erwähnten Ausnahme - es existiert also ein Prüfzwang.
Die Prüfung erfolgt aber immer noch (wie im "normalen" PEGI-System) in Form einer Inhaltsangabe durch die Rechteurheber/-inhaber des Spieles und einer Kontrolle dieser Angabe, nicht in Form einer vollständigen Kontrolle durch eine fremde Instanz (wie es bei der USK-Prüfung z.B. der Fall ist).
5.) Das VSC wird zur kontrollierenden Instanz:
Es kontrolliert die Einhaltung der PEGI-Reglementierungen/Statuten etc. durch die Spieleindustrie und ist für Sanktionierungsmaßnahmen bei deren Nichteinhaltung verantwortlich. Sanktionen sind z.B. die Verhängung von Strafzahlungen bis zu 500.000 € und die Verweigerung der PEGI-Klassifikation (ergo der "ban" des Spiels in GB).
6.) Das VSC hat die Möglichkeit, Spielen die Prüfungsbestätigung der PEGI in GB (also die Lizensierung) auch unabhängig von den Faktoren in 5.) zu verweigern, gemäß dem Fall, dass die Inhalte des Spieles gegen diverse Tatbestandsmerkmale des VRA verstoßen - auch wenn gemäß PEGI die Inhalte nicht zu beanstanden und eigentlich zu klassifizieren wären - namentlich gewisse Gewalt- und Sex-/Erotikdarstellungen.
Mein Fazit:
GB geht einen Schritt vor (Stichwort: PEGI) und unzählige zurück (Stichwort:... ach, der Rest halt...).
Insb. 6.) ist von gewisser Ironie geprägt, entflammte die ganze Debatte auf u.a. deswegen, dass die Industrie dem BBFC das Recht aberkennen wollte, Spiele in GB quasi mit einem "ban" abzustrafen und damit auch Erwachsenen zu entziehen. War die Möglichkeit des BBFC zu dieser Erwachsenenbevormundung zuvor noch fragwürdig, soll das VSC sie nun ganz regulär und explizit zuerkannt bekommen... da etablieren sich die Briten eine Zensurbehörde, die wie die dt. Budnesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vor 2003 Spiele trotz Altersklassifikation auf Basis willkürlich interpretierbarer Tatbestandsmerkmale sanktionieren kann, aber nicht nur mit dem Mittel der Distributionsbeschränkungen (wie es z.T. - zumindest theoretisch - eine Indizierung ist), sondern dem des Verbotes (von der Wirkung her ist die Lizenzverweigerung in GB quasi wie eine ex ante-Beschlagnahmungen zu werten)...
Das kann gaaanz böse Konsequenzen haben, wie z.B. die netten Zensur-/Selbstzensureffekte, die man permanent auf dem dt. Markt beobachten kann: Spiele werden zensiert oder gar nicht erst in GB veröffentlicht.
... und man sollte sich nicht vertun, denn GB ist der wichtigste Markt in Europa, was da zensiert wird, wird u.U. auch für den Rest Europas "angepasst"... da ist nicht erst Manhunt 2 der Fall gewesen.........
Interessant ist vor allem, dass man diese Zensurinstanz auch den erwachsenen britischen Bürgern als Gewinn verkaufen will, als etwas dringend notwendiges, so als ob diese nicht selbst entscheiden könnten, was sie rezipieren möchten.
Wie habe ich es eben noch gelesen: "The United Kingdom, the new Germany"...
Da geht sie hin, die Phase zunehmender Toleranz, die der BBFC-Direktor Robin Duval noch 2001 prognostizierte (die mir aber ohnehin irgendwie entgangen ist)...
Quellen:
- New system of video games classification will help protect children - PEGI system adopted for all UK games
- Gamasutra - News - UK Government Chooses PEGI Ratings
- PEGI becomes UK standard for game ratings // News
- VSC given power to ban videogames // News
- VSC given tough powers for non-compliance of PEGI system // News
Weiterführende links findet ihr bei diesen Quellen oder gekonnter Nutzung von google.de und Co.
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