Bin ich zu alt zum Spielen oder warum wird man im Alter empfindlich(er)??

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amigajoker

Gast
Monatlich lese ich Euer Magazin, ebenso wie einige andere, und immer wieder frage ich mich doch eines. Sind alle Spieler so wie beschrieben und nur ich bin der letzte Zocker der früher vieles besser fand?
Meine ersten Zockererfahrungen machte ich wie viele Spieler meiner Zeit in den Italienurlauben der frühen 80èr Jahre. Space Invaders, Scramble, Red Baron und viele andere Titel kosteten dort ein paar Lire und ebneten den Weg zu den Kinovorhallen in der Heimat mit vielen Automatenklassikern in welche man nach der Schule seine wenigen Markstücke versenkte. Donkey Kong, Galaga, Phönix, Satan of Saturn und viele weitere Klassiker mehr sorgten für viele schöne, aber auch frustige Momente. War man doch erst beim erreichen des Abspanns wirklich zufrieden und bei den anderen Gamern respektiert.
Dann endlich, 1983, die Kohle war zusammen, das Atari 2600 landete für 300 Mark im Wohnzimmer, ebenso "The Empire strikes back" für weitere 139 Mark. Das heimische Spielen wurde ein wichtiger Pfeiler meiner Zockerjugend. Bis zum späteren Umstieg auf einen C64 und 1989 auf einen Amiga 500 hatte ich mit wenigen Titeln am Atari einen Riesenspaß beim Spielen. Die Menge der Games war nie bestimmend und die Kinovorhallen mit den Automaten und die Spielhallen, blieben weiter auf dem Programm. Die älteren Zocker von Euch wissen selbst was in den späten 80`er Jahren dort alles versammelt war, wie man neidisch + bewundernd beim neusten MK-Teil den Spielern auf die Finger sah als diese beim "FINISH HIM" die heftigsten Moves vollführten wo man selbst doch über einen mickrigen Fächerwurf oder einem Highkick statt Finisher nie hinaus kam.
Man spielte sich durch die Automaten, war von Asteorides und vielen anderen Titeln begeistert, auch wenn deren Speicherbedarf auf 2 Disketten Platz fand.
Aber daheim nahm es immer mehr Geld und Zeit in Beschlag, Nach der Erkenntnis das die 512 KB Arbeitsspeicher des A500 nicht für die Soundausgabe von Monkey Island reichte und auch der vorbeifliegende Hubschrauber eines 12-Disketten-Hammers wie Rise of the Dragon oder Heart of China mindestens 1 MB Speicher + 2 Disk.-Laufwerke wollte, hatten wir ungetrübten Spaß. Die mitspielenden Geschwister wurden inzwischen durch ebenfalls zockende Klassenkameraden bzw. Ausbildungskollegen ersetzt. Die Abende verstrichen bei unzähligen Versuchen Prince of Persia oder Lost Patrol zu beenden. Man erkannte das nicht jede Packungsbeschreibung der Games der Qualität des Spiels entsprach und warum immer mehr Testmags auf den Markt kamen. Und lumpen ließ man sich ja eh nicht. Der A500 wich dem A2000. Dieser wurde auch sogleich für "schlappe" 1600 DM mit einer 105HDD und 4 MB extra-RAM aufgerüstet. Wenn schon dann richtig. Wurde man ein Nerd, man merkte es nicht, es war einfach so. Hinzu kamen SNES, MEGA DRIVE und die zeitlosen Klassiker wie der GameBoy. Wanderten die Game&Watch-Games doch immer mehr ins Regal oder wurden für ein paar Taler auf dem Flohmarkt verramscht:autsch::autsch:
Aber auch in dieser Zeit hatte man wenig zu meckern. Die Spieleanzahl nahm natürlich zu, die Gameshops verdienten bei den Bestellungen per Telefon und Postkarte ein kleines Vermögen und es wanderten die Games zwischen den Spielern umher. Was der Unterschied zwischen einer Gamekopie und dem Original war merkte man bei einer farbigen Taffeleinstellabfrage auf braunem Papier mit schwarzer Schrift recht schnell und so investierte man als volljähriger Zocker eine ordentliche Menge an Geld in das spielende Hobby, ebenso wie in die zahlreichen Automaten der Hallen.
Den Niedergang von Commodore bis zum Ende nicht glauben wollend, wurde mal richtig in das Amiga CD 32 investiert:motz:und dann zähneknirschend vor dem PC kapituliert. Bei mir war das Mitte der 90èr Jahre. Intros von Tie Fighter oder Aces of the Deep ließen das "bewegte" Intro mit Musik von den Siedlern am A2000 doch recht deutlich verblassen. Also mal wieder richtig Geld in den ersten PC versenkt. 486DX 2/66. Noch im Laden fragend ob ein CD-Doublespeed für 300 Mark wirklich nötig ist und ob die RAM-Erweiterung auf 8 MB für einen Haufen Geld wirklich von Nöten sei wurden spätestens durch den zockenden Freund/Kumpel/Arbeitskollegen weggewischt da dieser ja genauso verzockt war wie man selbst.
Meine PC-Zeit begann, die alten Geräte wurden verkauft:autsch: oder in den Verpackungen in den Keller geschafft. Für was oder wen auch immer. Daneben gabs die PS1. Konnte man Resident Evil doch am PC nicht daddeln und die aufkommende Begeisterung für Doom und Co. ließ doch schneller nach als erwartet. Den Wechsel am Markt in Sachen Schnelllebigkeit nahm man noch mit einer leichten Verwunderung mit, freute man sich doch an CD-Rom-Games wie Phantasmagoria oder Wing Commander3,das Aufrüsten wurde spätestens mit der Grafikauswahleinstellung von Quake eine Selbstverständlichkeit und wieder spielte man was die Freizeit hergab. Verzweifelte man an stundenlangen Ausgangssuchen in den tiefen der "dunklen Kräfte" ohne Savepoints, kaufte man aber auch genauso schnell neue Games nach, schließlich zählte man ja zur arbeitenden Masse und Knaller wie F1 GP2 oder X-Com versüßten einem die immer mehr erfordenden Aufrüstorgien doch sehr.
Die Spielemags schossen, gefühlt, wie Pilze aus dem Boden, immer mehr Trubel und Wirbel wurde um Neuankündigungen gemacht und man passte sein Spielverhalten der Menge an Games immer mehr an. Musste der PC bald dem nächsten MMX-Rechner weichen, dieser dann einem Pentium und dieser bis heute 3 weiteren Rechnern, bestellte man bald monatlich neue Games beim Shop seines Vertrauens. Fehlerhafte Games wurden manchmal sogar vom Shop umgetauscht!!! und wir spielten als gäbe es kein Morgen.
Auch die Kennenlernphase mit Heirat und Familiengründung mit der Partnerin stellten da kein großes Hindernis dar, gespielt wurde ja schon schließlich immer.
Neben dem heranwachsen der Kinder wurde der PC immer mehr zum puren Arbeitsgerät und das Spielen verlagerte sich auf die Konsolen der damaligen Zeit, PS2, Xbox und Gamecube. Zeit wurde dafür immer abgeknappst und die Spieleabende mit den Zockerfreunden hatten auch über all die Jahre nichts am Reiz UND Spaß verloren.
Den Wechsel auf die letzte NextGen-Konsole machte ich nur an der Xbox mit. Zum Schrecken der Kreditkarten wurden, nach der Anbindung ans DSL-Netz nach dem Eigenheimerwerb, zahlreiche Online-Import-Shops entdeckt welche die Games zu Preisen lieferten wovon man hierzulande oft nur träumen konnte. Der spielende, reale, Freundeskreis verlagerte sich immer mehr ins Netz und der Spieleberg der Titel mit dem Zusatz " ist so günstig, nehm ich mal, spielen tu ichs irgendwann." wächst und wächst. Zu groß ist doch die Gier bis spät in die Nacht das nächste Re-Up bei Gears 3 oder sonstige, fürs reale Leben unerlässliche Dinge zu erreichen. Die kindliche Begeisterung schwindet immer mehr, wird aber immer mehr gejagt + gesucht. Die "Freunde" verschwinden nach dem 5929`igsten Daddeln von Onlinegames aus dem Spiel und verlagern auf andere Titel. Man ist online doch wieder oft so allein wie vor Jahrzehnten an der heimischen Konsole bei der Jagd von Tutankham und Co.
Die Terminabsprache mit Zockerkollegen wird immer schwerer und die großen Onlinegames verlangen einen Zeitaufwand der seinesgleichen sucht, will man bei BF, CoD und Co. doch nicht immer nur der "Auffüller" sein sondern auch mal den einen oder anderen Erfolg erspielen. Vom Prestigemeister will ich hier nicht mal reden....
Sich dann überlegend das manche Gegner nicht mal halb so alt sind wie man selbst, cheaten will ich keinem unterstellen, ;) und einen über die Karten gnashern und sprengen lässt einen irgendwann das Hobby neu überdenken. Zumindest in Sachen Onlinegaming.
Den Sprung zur nächsten NextGen werde ich mir genau überlegen! Das Desaster beim einzigen Releasekauf einer Konsole bezahlte ich teuer mit dem Kennenlernen des RoD:motz::motz::runter: an der Xbox 360. Der Spieleberg dafür hat den dreistelligen Bereich schon lange erreicht und die ungespielten Titel fühlen auch schon so manches Regal.

Warum ich hier meinen Zockerlebenslauf darlege? Jenseits der 40 vermisse ich schon lange die Begeisterung von früher, rege mich immer mehr über unnütze Dinge an den Konsolen auf die man vor langer Zeit nicht mal buchstabieren konnte. Und die Schnelllebigkeit mancher Games und der auf+abnehmenden Begeisterung für manche Titel erschrecken doch immer wieder.
Und schwer vorstellbar ist für mich die Wahrscheinlichkeit das jeder Zocker für jeden MP-Titel die erforderliche Anzahl von Freunden zur Verfügung hat um nicht im Publicmodus mit mehr-oder-weniger-intelligent spielenden Zockern unterwegs zu sein.
Sprich, Gelgenheitszocker sehen bei den Shooter von heute an den Konsolen nicht nur alt, was viele von uns auch sind, aus, sondern stecken ihre Taler lieber in Offlinegames um die wenigen Zockerstunden nicht völlig frustiert zu verbringen, bringen es die Anbieter doch nicht fertig Zocker entsprechend ihrer Fähigkeiten zusammen zu stellen.

Erfreulicherweise begann ich recht bald damit meine alten Geräte + Spiele nicht mehr zu verramschen und stattdessen in den OVP`s im Keller zu lagern. Schließlich hat der Nachwuchs heute seinen Spaß manchen Amigaklassikern, solange er noch funktioniert, und zumindest wissen somit manche Kinder was eine Diskette war/ist.

Früher war nicht alles besser, aber vieles!
Gehts da draußen noch mehr Spielern so, oder bin ich "Cast away"?
 
Wozu ein Blog, im Forum ist die Chance größer das das geschriebene überhaupt gelesen wird. ;)
Zumal die letzte Antwort des Genannten Threads fast 1 Jahr her ist...

@ amigajoker:
Ein beachtlicher Überblick über die Zockerkariere eines Spielers der die Videospiele quasi seit dem Beginn an kennt. Dafür kann man nur Respekt zollen, auch das es so ausführlich dargelegt wurde. Ich denke das du nicht "cast away" bist. Die Vorstellungen der Industrie haben sich seit einigen Jahren allmählich gewandelt und neue Auswüchse an Ideen sind entstanden die so manch ein Spieler nicht mehr tragen will, ich denke unter anderem daran kann dein Abnehmendes Interesse liegen...

Auch wenn ich deutlich jünger bin und erst die 30 vor mir habe, weicht auch mein Interesse an Spielegeräten der neueren Machart immer weiter zurück. Vor kurzem habe ich mir begeistert und voller naiver Illusionen eine PS3 Super-Slim gekauft und kaum gespielt. Von Onlinegaming will ich schon gar nichts wissen.
Und es scheint kaum Spiele zu geben die mich noch interessieren. Daher habe ich beschlossen das ich mit dieser Generation der PS3 Schluss mache und mir danach nichts mehr der Art anschaffe. Es ist es einfach nicht wert. PS4 und XBone machen mich noch weniger an als die jetzigen Konsolen bei deren Relaise bei den ich 7 Jahre warten konnte...

Wohingegen bei älteren Konsolen bei mir noch immer deutlich öfter die alten Begeisterungen aufflammen. Daher werde ich mich meiner bescheidenen Sammlung zuwenden. Man kann es so sehen: Nur weil die neuen Spiele lahm sind muss man nicht ganz aufhören, wenn du noch so viele ungespielte Spiele hast. :)
MfG
 
Hallo Amigajoker,
ich muss schon sagen, das ist ein sehr sehr schöner Bericht den Du uns da mühevoll niedergeschrieben hast. Hat viel Spaß beim Lesen gemacht, danke Dir :) .

Auch wenn ich Ende des Jahres "erst" 23 werde, so kenne auch ich diese Entwicklung im Laufe der Zeit als Gamer. Ich für mich habe die Erfahrung gemacht, dass einer der wichtigsten Pole die zu einer solchen Veränderung führen die eigene emotionale Bindung an die Spielwelt darstellt! Emotional konnten mich Spiele und deren Technik in Kindheits- & Jugendtagen deutlich mehr begeistern, heute ist es z. B. wohl GTA V das ich eventuell gleich bei Release kaufen werde, das ist wohl die letzten 2-3 Jahre nicht mehr passiert, früher gab es dutzende Titel im Jahr die unbedingt am ersten Tag in der Konsole rotieren mussten.

Auch das Gameplay, allen voran der Schwierigkeitsgrad heutiger Spiele führt zu dieser Entwicklung. Durch Elemente wie Auto Heal & Co. fliegt man auch auf höheren Schwierigkeitsgraden geradezu durch den Singleplayer, wohingegen man früher gefühlt tausend Mal am selben Boss wegen eines Hits scheiterte, sich in Grund und Boden ärgern konnte, jede Sekunde des Fightablaufs akribisch auswendig lernte und am Ende doch den großen Coup landete, auch das rief in uns große Emotionen hervor, welche uns rückblickend so begeisterten.

Es gibt viele Aspekte für mich, das sind nur ein paar Wenige, Zocken ist ein Hobby, wir haben keine Verpflichtungen. Macht es irgendwann keinen Spaß mehr oder gibt es nicht genügend Anreiz, schrauben wir es in Sachen Aufwand (Zeit- & Geldform) herunter oder suchen uns gar ein Neues :)
 
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