blognak#2: PASSION:SPIELE

grognak74

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Gelegentlich werde ich ganz furchtbar nostalgisch und sentimental. Daher möchte ich an dieser Stelle einen kurzen Rückblick auf meinen ganz persönlichen Werdegang als Zocker halten. Vielleicht kann ja der ein oder andere was damit anfangen. Beginnen möchte ich in grauer Vorzeit, das heißt...

Anfang der 80´er, Insel Rügen

Mit weit aufgerissenen Augen sitze ich auf einem barhockerhohen Stuhl im Foyer einer FDGB-Feriengaststätte und starre fasziniert auf das bunte Treiben vor mir. Der Bildschirm zeigt ein Labyrinth, und ich bin mittendrin. Ich biege nach links ab, dann rechts, dann wieder links. Ich schlage Haken, bin stets auf der Flucht; dabei versuche ich, so viele der im Feld verteilten bunten Punkte zu ergattern wie möglich. Das Spiel heißt "Hase und Wolf", ich bin dabei natürlich der Hase. Jede Runde kostet, falls mich meine Erinnerung nicht trügt, ( anhand des damaligen EVP [= Einheitlicher VolksPreis], welcher auch für den Unterhaltungssektor galt, gut rekonstruierbare ) 20 Pfennig; unermüdlich beginne ich, meinen noch in der Gaststätte verweilenden Eltern das Geld aus der Tasche zu ziehen, welche anhand der Vorstellung, andernfalls den Nachmittag mit einem nörgelnden Sohn am FDGB-Ferienstrand verbringen zu müssen, klein bei geben.
So beginnt eine Leidenschaft, welche bereits zu Beginn aufgrund der vorherrschenden politischen Situation noch einige Jahre auf Eis liegen soll, und von der ich zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nichts ahnen kann. Ich bin halt nur ein Hase, gefangen in einem Labyrinth, auf der Flucht...

Daß besagtes Spiel nur eine russische Kopie eines eigentlich japanischen Titels names Pacman ist, erfahre ich übrigens gefühlte 15 Jahre später.

1986, Karl-Marx-Stadt

Das Aufkommen eines neuen technologischen Zeitalters äußert sich darin, daß unser Physikleher eine Klasse nach der anderen ins Direktoriat bittet, um dort die neueste Errungenschaft sozialistischen Fortschritts zu präsentieren: einen nagelneuen Computer. In seiner Stimme schwingt Stolz, als er von all den faszinierenden Möglichkeiten berichtet, welche das Gerät eröffnet. Die technischen Details vergesse ich, kaum das die Worte verklungen sind; das Geschehen, welches einsetzt, nachdem die unermüdlich vor sich hin pfeifende Datasette ihre Arbeit beendet hat, brennt sich hingegen unauslöschlich in mein Gedächtnis: Eine monochrome Welt, geformt aus Leitern und Plattformen, welche es zu erobern gilt! Ich werde all meinen Widersachern entrinnen, hoch auf der obersten Plattform thronen und hinabblicken auf mein Reich...
Jegliche Weltenokkupationspläne werden jäh beendet, als das Läuten der Pausenglocke vom Ende der Präsentation kündet. Ich schlurfe im Pulk meiner Klassenkameraden zurück in mein gewohntes Leben. Der Besitz eines Computers ist für den Nachwuchs nomalsterblicher Eltern im sozialistischen Arbeiter-Und-Bauern-Staat beinahe unvorstellbar. Aber halt nur beinahe...

Einige Zeit später eröffnet mir mein damaliger Klassenfreund Gerd, seine Eltern hätten ebenjenes Gerät, dessen genaue Namensbezeichnung mir im Laufe der Jahre entglitten ist ( ich meine, es könnte KC 85 gewesen sein, bin mir dabei jedoch nicht mehr sicher ), erworben. Ab sofort endet jeder Schultag in Gerds Kinderzimmer, in welchem die sündhaft teure Anschaffung unerklärlicherweise untergebracht wurde. Das Spiel? "Ladder"; ein an sich sehr einfallsloser Titel, in meinen Ohren aber purer Wohlklang. Ob es sich hierbei nun um einen "Mario Bros"-Klon handelt oder nicht, ist für mich rückblickend nicht eindeutig beantwortbar; eigentlich aber auch völlig egal.

1990, Karl-Marx-Stadt

Die Wende liegt einige Monate zurück, das Leben in der dahinsiechenden DDR hat sich grundlegend gewandelt. All das, was bis vor kurzem noch ein unerreichbarer Traum war, drängt sich nun mit aller Macht ins Alltagsleben: Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Beate-Uhse-Shops und Quellekataloge. In letzteren entdecke ich im Spielzeugsortiment einige Geräte, welche für mich von höchstem Interesse sind. Ich bündele all meine Energie, um meine Eltern von der absoluten Notwendigkeit zu überzeugen, eines jener Geräte zu besitzen; nach einiger Zeit werden sie mürbe und geben ein weiteres Mal klein bei. Angesichts der noch unsicheren Zukunft entscheiden sie sich für das finanziell kleinste Übel; ich bin von nun an stolzer Besitzer eines Atari VCS 2600 inklusive "32 in 1"-Moduls, zusätzlich gibt´s noch ein Spiel namens "Weltraumtunnel". Meine Begeisterung kennt keine Grenzen: Die ehemals monochrome Welt erstrahlt nunmehr in Farbe, im Vergleich zum "Ladder"-Gepiepse von einst erscheint mir die "Weltraumtunnel"-Soundkulisse beinahe orchestral. Runde um Runde stürze ich mich in die aussichtslose Schlacht, kämpfe mich immer weiter durch die nicht enden wollende Röhre. Willkommen im Videospieleleben...


So, falls das hier jetzt irgendwen interessiert haben sollte, gibt´s demnächst noch einen weiteren Rückblick auf mein ganz persönliches Leben als Zocker im weiteren Verlauf der 90´er. Da die Erinnerungen an jene Zeit noch wesentlich frischer ist, dürfte es dabei um einiges detaillierter und facettenreicher werden.
 
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