Computerspiele sind die modernen Erzählungen

SLA

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Es werde zu wenig gelesen, klagen heute die Sachwalter der Kultur. Zweihundert Jahre früher klagten ihre Vorgänger, dass zu viel gelesen werde.
Die Klage begleitet den Wandel der Technik: Wie am Ende des 20. Jahrhundert das (Fern-) Sehen das Lesen verdrängt, so hatte am Ende des 18. Jahrhunderts das Lesen das Hören als Leitform kultureller Kommunikation abgelöst. An solchen Umbrüchen zerbrechen Autoritäten.
Ähnlich wie mit der katholischen Kirche und Martin Luther, der die Bibel für jedermann lesbar machte.
Somit überließen es die neue kulturelle Kommunikation des Lesens sowie Martin Luther, dem Leser selbst, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Denn wer las, war mit dem Buch, seinem Urteil, seiner Phantasie allein, entzog sich der Rede des Vaters, des Lehrers, des Pfarrers, des Meisters. Hören war zu jender Zeit die Wurzel des Gehorsams.
Bald gab es eine große Vielfalt an Büchern und der Leser musste selektieren. So musste ein Buch ein privates Verhältnis zu dem Leser aufbauen, die Neugier anregen, soll die realen Distanzen einer Kultur überbrücken, die Vorstellung des Lesers fesseln. Besonders beliebt waren Erzähungen vom Verbotenen, von Übertretungen der bürgerlichen Gesetze: Das Exotische, das Erotische, das Kriminelle boten Nährboden für zahlreiche Abenteuerromane, Erotikgeschichten und Detektiverzählungen

Schnell sahen gewisse Mächte, wie Kirche, Universität, Rechtsprechung und Staat ihre Autorität, Macht und ihren Einfluss in Gefahr, denn nun galt es nicht mehr einzig und allein ihnen, die Texte zu interpretieren und zu deuten.
Getrieben von der Angst des Machtverlusts plädierten sie, dass Lesen schlecht für die Menschen sei. Durch das Lesen verschwimmen die Konturen der Wirklichkeit: die Kontrolle durch Verstand, Moral und Gesellschaft sind aufgehoben; dem freien Flug der Phantasie steht nichts mehr im Wege.
Die Jugend werde verdorben "ihre Einbildungskraft mit unanständigen Vorstellungen, mit verschönernden Gemälden viehischer Triebe, mit Verzierungen des Verbrechen vertraut gemacht." Zitat Zschokke.
Schließlich führte es von einer Epoche des Hörens zu einer Epochen des Lesen, besser bekannt als die Epoche der Aufklärung.

Wenn wir noch einmal zum Anfang gehen: "Es werde zu wenig gelesen". Da stellt sich einem doch die Frage, ob das nicht eine Aussage, von alten Autoritäten, die wie im 18. Jhd. die Mächte des Hörens, ihren Standpunkt, aus Angst vor einem Autoritätsverlust, einer Revolution, vertreten.
Ist es nicht dasselbe, wie damals?
Heute findet ein Umbruch von der Epoche des Lesens in eine Epoche des virtuellen Erlebens statt.

Heutige Kritiker von virtuellen Erlenissen, wie von Spielen und Fernsehen führen exakt die alten Argumente an, wie vor 200 Jahren die Kritiker des Lesens: verschwimmende Konturen der Realität; Verschönung des Verbrechens, heute besser bekannt als "Gewaltverherrlichung"; Verderbung oder Verwahrlosung von Kindern, Jugendlichen und Herandwachsenden.

Und ich sage euch, Computerspiele sind die modernen Erzählungen !
 
Gebe dir da vollkommen recht. Denke auch das das Fernsehen und zocken in der jetzigen Form auch irgentwann wieder abgelöst wird. Klar bin ich der Ansicht das es auch Sinnvoll wäre mal ein gutes Buch oder die aktuelle Tageszeitung in die Hand zu nehmen.

Bekommst 5 Sterne von mir.
 
dass jemand so offen meine Meinung teilt, dass Spiele kein "Teufelszeug" sind, sondern nur Bestandteil der menschlichen Entwicklung. Ich denke aber trotzdem, dass man zwischen Fernsehen und Videospielen noch einen Unterschied sehen sollte. Vielleicht kannst du deinen Blog ja weiterführen. Zu dem Thema gibt es ja noch so viel mehr zu sagen...
Aber prima der Vergleich zum Lesen!
 
man erkennt schon die Paralellen und das finde ich schon irgendwie erschreckend... aber so sind se halt, die Leute, die sich mit zeitgenössichen Medien nicht auseinandersetzen... Was man nicht versteht, gleich verbieten... als wenn das die Lösung wäre...

Aber da ich gerne lese UND zocke, begehe ich wohl 200 Jahre an moralischen Missetaten :D

und klar sind Spiele die modernen Erzählungen, jedoch wird nie ein Spiel an ein gutes Buch herankommen, da man beim lesen einfach die eigene Phantasie spielen lassen kann und keine vorgegebene Welt hat... ^^
 
Guter Blog!

Ich muss allerdings anmerken, dass die erzählerische Klasse der meisten Videospiele weit hinter der diverser Bücher und Filme zurückbleibt. Aber ich bin zuversichtlich, dass das besser wird. ;)

LG, Katha
 
...ich selbst empfinde lesen, zocken und TV als 3 völlig unterschiedliche Arten des "geschichten-erzählens", nicht als konkurenzmedien...

...wie du schon geschrieben hast, braucht man für's lesen phantasie und ggf. einfühlungsvermögen..

zocken is natürlich interaktiv in die story eingreifen (im falle von "terminator salvation" gibt's keine story...)

...und TV (ich halt's selten 5min vor der glotze aus, es sei denn das ding steht auf AV und ne konsole is angeschlossen) is mehr "Erzählen-lassen ala bilderbuch"... ^^
 
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