Friede, Freude, Freiheitskampf

Goemon

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Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit, benannt nach dem Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow, wird vom Europaparlament jährlich an nette Menschen in Anerkennung ihrer Dienste für Meinungsfreiheit veräußert. Dieses Jahr traf es den chinesischen Menschenrechtler Hu Jia, der sich in seiner Heimat vor allem für die öffentliche Diskussion von Umweltschutz, AIDS und das Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens (4.6.1989) einsetzt. Ratspräsident Hans-Gert Pöttering erklärte hierzu: "Mit der Verleihung des Sacharow-Preises an Hu Jia anerkennt das Europäische Parlament mit Nachdruck und Entschlossenheit den täglichen Kampf für Freiheit aller Verteidiger der Menschenrechte in China."

Böse Falle
Nun könnte man als Mitglied einer basisdemokratischen Gesellschaft ja meinen, dass die Heimatregierung sich über diese Zuwendung freut, schließlich handelt es sich bei der Auszeichnung um ein ziemlich Prestige-verdächtiges Ereignis. Allerdings steht die auch als EU-Menschenrechtspreis betitelte Ehrung in hartem Widerspruch zur chinesischen Staatsführung, welche derlei Attentate auf ihr Regierungskonzept natürlich zu unterbinden hat. So tanzte das gelbe Rumpelstilzchen nicht nur im Vorfeld der kritischen Ernennung feurigen Blickes ums europäische Freiheitsfeuer und drohte mit Beziehungsabbrüchen. Auch jetzt beklagt sich Peking lauthals über die unverschämte Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten. Schließlich hat die Verhaftung des staatsfeindlichen Aufrührers Hu Jia am 27. Dezember letzten Jahres gute Gründe, die nur aus Gründen der Geheimniskrämerei unbenannt bleiben müssten. Ebenso verschwommen darf man wohl die Verurteilung im April sehen, die ihn für dreieinhalb Jahre im Gefängnis einkerkert, wo er derzeit mit inneren Krankheiten und nach EU-Wissen ohne ärztliche Versorgung einsitzt.

Perspektivisch nachgehakt
Vermutlich trennt uns von China einfach eine kulturelle Blockade. Unser eigener engstirniger Geist verhindert, dass wir dieses Volk verstehen lernen. Die Mühe macht man sich in unserer industrialisierten, digitalen Welt doch niemand mehr. Nehmen wir nur mal den Melamin-Export, der in den letzten Wochen für rege Betriebsamkeit in deutschen Nahrungsmittellabors sorgte. Letztendlich war die Panik völlig unbegründet, da viele Testmuster den vorgeschriebenen Grenzwert gar nicht überschreiten. Trotzdem wurde China im Vorfeld massiv angefeindet, weil die Vertuschung jener Giftgehalte so schrecklich gefährlich sei. Entschuldigungen gibt es dennoch nicht und wenn man auf seine internationale Anerkennung so sehr vertraut wie China, dann kann das schon mal zu brüchigen Beziehungen führen.

Endstation Umerziehungsanstalt
Anderes Beispiel sind die vielen politisch motivierten Verhaftungen. Die freie Presse erdreistet sich über Beschneidung ihrer Rechte und die Einkerkerung angeblich Unschuldiger. Dabei hat bislang kaum jemand die exakten Umstände der Haftstrafen geprüft, geschweige denn mit Dissidenten gesprochen die aus der Haft entlassen wurden. Das mag zumeist daran liegen, dass Entlassung weit schwieriger ist als Inhaftierung, wodurch die zweite Zahl die erste weit übersteigt. Aber selbst die inneren Verhältnisse der Haftanstalten sind weitgehend unbekannt, was wiederum an der geringen Anzahl freier Chinesen liegen mag.

So wurde der damals sechsjährige Gedhun Choekyi Nyima, von tibetischer Seite offiziell anerkannter 11. Panchen-Lama, im Mai 1995 von Sicherheitskräften der chinesischen Regierung in schützende Obhut genommen. Seitdem fehlt von dem religiösen Amtsinhaber samt seiner Familie jede Spur. Man kann nun mutmaßen, dass die Familie unter Verschluss gehalten wird, weil China endlich Ruhe in das verruchte buddhistische System bringen will und während des tibetischen Aufstands 1959 nicht fähig war, des Dalai Lamas habhaft zu werden. Vielleicht wird der Panchen Lama aber auch in einer glücklichen Umgebung umsorgt, die ihn seine weltlichen Pflichten freiwillig an die chinesische Marionette Gyaincain Norbu weitergeben ließen. Möglicherweise leben kommunistische Gefangene in einem semi-paradisischen Umfeld und tauchen aus reiner Lebensfreude nie wieder in der Öffentlichkeit auf.

Kanzlerin Merkel ist momentan in China unterwegs, um für bessere Zusammenarbeit zu werben, gerade auf den Gebieten Umwelt und Finanzen. Ob das gut geht? Wenn wir nun doch zu verschieden sind, um miteinander Handel zu treiben, weil bei uns Freidenker unbeobachtet im Stadtpark spazieren gehen und ihre systemfeindlichen Parolen verbreiten dürfen, was dann Angie?

Sacharow-Preis
 
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