Grünes Verderben - Die Verbrechen der Heimat

Chyperphunker

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07.09.2010
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Ich brach direkt nach dem Frühstück auf; es gab Schokomüsli und ein Glas Orangensaft. Die frühmorgendliche Zigarette war belebend und ich schlenderte entlang der Dorfstraße zum Treffpunkt an der alten Eiche. Thomas und seine Freundin Janine warteten schon auf mich. Eine kurze Begrüßung gefolgt von den üblichen Floskeln. Es hatte keinen Sinn, hier herumzuhängen und so trieb uns die Langeweile irgendwann in den Wald.

Wir hielten uns fürs Erste an einen schmalen Trampelpfad. Bald ging dieser aber in hügelige Waldflächen über und rutschiges Moos machte das Vorankommen schwieriger. Als ein Weiterkommen durch ineinander gefallene Bäume und dicht gewachsenes Gestrüpp endgültig nicht mehr möglich war, versuchten wir es in eine andere Richtung.

Es kam mir vor, als wanderte ich durch den Berliner Tiergarten und sei auf ein Zehntel meiner Größe geschrumpft. Hier und dort sahen wir kleine braune Eichhörnchen die Bäume hinaufklettern, grüne Wipfel wogten gleichmäßig über unseren Köpfen ? und erst diese Feuchte. Da es in der vorherigen Nacht geregnet hatte, stand der Wald förmlich vor Wasser. Es tropfte uns in die Kragen, klebte uns die Haare ins Gesicht und unsere Sportschuhe verwandelten sich in schwere, nasse Klumpen, die bei jedem Auftreten schmatzten. Thomas anstößige Anspielung zu diesem Geräusch ignorierte ich.

Am Fuße eines besonders steilen Hanges stoppten wir. Die Diskussion, ob wir diesen erklimmen sollten oder nicht, umging ich, in dem ich als Erster den Anstieg zu bewältigte. Thomas und Janine folgten mir. Wir mussten klettern und uns an harzigen Baumwurzeln hochziehen, um nicht auf Schlamm und nassen Laub wieder herunterzurutschen. Thomas war als Erster oben und verschwand aus unserem Sichtfeld; einen Moment später erschien er wieder und winkte begeistert.

"Macht hinne!" rief er. "Wirklich, das ist echt der Hamma!"
"Was ist los?" rief ich zurück aber da war er schon wieder verschwunden.
Ich verdoppelte meinen Kraftaufwand und ließ Janine hinter mir.
Der Hang führte hinauf zu einem etwa dreißig Meter langen Absatz, so plan und eben, dass es im Wirrwarr des Waldes ringsum beinahe unnatürlich wirkte.

Thomas stand zwischen zwei Sträuchern und schaute sich, die Hände in den Seiten, um.
"Und, wat sagste?" fragte er. Ich drehte mich um. Etwas weiter hinter uns sah ich den Hang, den wir gerade hochgeklettert waren. "Ganz schön hoch", sagte ich.
"Auf jeden. Verdammt hoch. Doch dit mein ick nich." Ich kehrte mich wieder der Ebene zu und steckte mir eine Zigarette in den Mund. Während ich mich nach dem Feuerzeug abtastete, fiel mir etwas Eigenartiges auf. Die Pflanzen vor mir kamen mir irgendwie bekannt vor.

"Krass", sagte ich und mir fiel die Zigarette aus dem Mund.
"Uff jeden."
"Verfluchtes Haschisch!"
Thomas griente. "Ick hab noch nie so viel jesehen.
"Ich auch nicht ?" Ich rupfte ein Blatt vom nächsten Busch und zerrieb es zwischen den Fingern.

Thomas ging weiter und hockte sich neben einer der Pflanzen. "Dit können wir doch nicht einfach so stehen lassen, Michi", sagte er. "Dit lässt sich janz einfach trocknen und ?", dann hielt er inne. "Warte ma, irjent etwas stimmt hier nich."
"Was meinst du?"
Er wandte sich hastig um. Seine Augen waren weit aufgerissen und sein Mund stand offen. "Dit is doch anjebaut."
Ich erschrak. "Echt jetzt?"
"Ja, guck dich doch ma um!"
"Quatsch! Wir sind hier mitten im Wald. Keine 2 Stunden von Zuhause."
"Denkste, die wachsen von Natur uff ner Linie?", Thomas deutete mit seinem Arm auf eine der Pflanzenreihen.
Einen kurzen Moment schwiegen wir. "Scheiße", sagte ich gezogen. "Dann haben wir ein Problem."

"Janine", Thomas packte mich unerwartet am Arm.
"Sie ?", ich war wie erstarrt.
"Sie müsste gleich hier sein", beendete ich den Satz aber da rannte Thomas schon Richtung Abhang.
"Sie is nich hier!"
"Aber sie war doch dicht hinter mir." Im Laufschritt begab ich mich zum Rand und spähte hinunter.
Thomas sprang auf. "Ick steig runter. Du guckst hier."
"Alles klar."
Er rutschte das schlammige Gefälle hinab, doch da erblickte ich schon ihre hellblaue Jacke, ein Stück weiter zwischen den Büschen auf der anderen Seite des Plateaus. Thomas war schon am Fuße des Hanges angekommen. Ich warf ihm einen kurzen Stock hinterher. Nach dem ich seine Aufmerksamkeit hatte, gestikulierte ich kurz, er fluchte und kam wieder hinaufgeklettert.
Janine kam inzwischen zu mir herüber. Sie rückte sich ihre Kleidung zurecht. "Ich musste halt mal", rief sie lautstark über das Plateau. Hektisch bedeutete ich ihr mit meinen Händen, sie solle leise sein. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und legte eine Hand hinters Ohr. "Was? Ich habe weiter hinten im Wald ein paar komische Typen gesehen. Sie kommen her. Meinst du, die sind aus der Stadt?"
Als Thomas sie hörte, brüllte er von unten:" Michi! Sie soll den Mund halten."
Schnellen Schrittes ging ich auf sie zu. "Was ist denn?", fragte sie. Doch als ich bei ihr war, drückte ich sie zu Boden. "Sei leise!", sagte ich und presste ihr meine Hand auf den Mund. Sie machte Anstalten, sich loszureißen, aber ich war stärker und drückte so kräftig zu, dass sich ihr Kopf in den Nacken krümmte.
"Hier werden Drogen angebaut", flüsterte ich, wobei die Betonung auf angebaut lag. "Alles klar?"
Ihr Blick versteinerte sich und sie begann, durch die Nase zu schnaufen. "Hast du kapiert?", hakte ich nach. "Ein verdammtes Haschischfeld!"

Als Thomas hinter mir war, packte er mich am Arm. Ich ließ Janine los und sagte: "Da kommen Leute!"
"Wat, wo?"
"Von der anderen Seite", flüstere Janine und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Jacke über den Mund.
Er blickte in die Richtung, in die Janine wies. "Ich seh da kenen", sagte er und ließ meinen Arm los. "Wadde ma. Hör mal! Hörst du dit?"
Wir verhielten uns ruhig, aber ich bemerkte nichts als das pochende Blut in meinem Kopf.
"Da quatscht jemand", flüsterte Thomas. "Hört ihr dit?"
Erneut horchten wir aufmerksam. Jetzt hörte ich es auch, zwar noch sehr leise aber immer näher kommend.
"Da kommt wirklich jemand."
Der Kloß in meinem Hals zwang mich, zu schlucken. "Wir müssen hier runter und zwar schnell!" Beim Versuch aufzustehen riss mich Thomas wieder herunter.
"Michi", sprach er, und trotz meiner Aufregung bemerkte ich die Ruhe in seinem Ausdruck. "Wenn wir jetzte losrennen, kriegen die dit mit."
"Und was machen wir dann?"
"Wir verstecken uns." Er deutete auf ein großes Gebüsch.
 
Coole Geschichte! Der Schreibstil gefällt. Wird es eine Fortsetzung geben? Handelt es sich um eine wahre Begebenheit?
 
Danke :)

Eine Fortsetzung wird es leider nicht geben.
Ich habe mich bewusst für das offene Ende entschieden habe, da dieses wahre Erlebnis wesentlich unspektakulärer endete, als es sich zum Ende meiner Erzählung entwickelte.

Gruß
 
Auch mit ein paar Tagen Abstand kann ich mich mit dem abrupten Ende irgendwie nicht abfinden.
Offenes Ende schön und gut, aber doch nicht so kurz bevor der Spannungsbogen seinen Höhepunkt erreicht! ;-/

Spricht natürlich für die spannend geschriebenen Zeilen bisher, vielleicht kannst du das - wenn auch unspektakuläre Ende - ja noch kurz hier unten mitteilen, damit ich wieder beruhigt durchschlafen kann..?
 
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