Goemon
Erfahrener Benutzer
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In Österreich ist vieles anders als im deutschsprachigen Europa. Millimeterdünne Fleischfladen heißen Wiener Schnitzel, Nazi heißt Rechtspopulist, Ministerpräsident heißt Landeshauptmann, Tourist heißt Ausländer und von der vokalen Sprachverzerrung will ich gar nicht erst schreiben. Auch um Volksheld zu werden muss man offensichtlich nicht sehr viel anstellen. Mithin reicht es schon Ministerpräsident zu werden und sich nach dem Wahlsieg an einem Betonpfeiler tot zu fahren. Wäre Beckstein mit seiner Karriere ähnlich vorgegangen, stünde die CSU heute vielleicht besser da. Aber da war ja noch was mit dem Wahlsieg?
Tschüss Jörg!
Jedenfalls ist Jörg Haider, Landeshauptmann von Kärnten, am vergangenen Samstag verstorben. Mit einer Geschwindigkeit von 142 km/h befuhr er eine 70-km/h-Strecke und suchte im Rausch seiner 1,8 Promille Körpernahen Kontakt zu einem Betonpfeiler, was letztendlich zu äußerst unangenehmen Verletzungen führte. Wenigstens eines hat Österreich mit Deutschland gemeinsam: überhöhte Geschwindigkeit und Blutalkohol wirken Lebenszeit und Wohlgefühl gleichermaßen entgegen.
Jetzt könnte man ja meinen, dass mit dem weltlichen Abschied alles geklärt sei. Aber nein, plötzlich wird Haider zum Volksheld. Oder verwechselt man ihn nur mit seinem Beinahe-Namensvetter Joseph Haydn? Im Überschwang der Trauergefühle kann das schon mal passieren, besonders hinter dem unüberschaubaren Horizont Kärntner Kurzsichtigkeit. Was will man denn auch von einem Land erwarten, in dem die rechtsorientierte BZÖ satte 39,4% der Wählerstimmen einheimst?
Persönliche Erfolge
Ich will hier nicht unfair vorurteilen, andernfalls stünde ich schnell auf einer sozialpolitischen Stufe mit Frau Merkel. Und bis zu den Kniekehlen im Dreck zu stehen hat mir noch nie gefallen. Betrachten wir also die ruhmreichen Erfolge des ehemaligen Landeshauptmanns. (Der Begriff Landeshauptmann lässt eigentlich schon durchblicken, dass die vorrangige Problembewältigungsstrategie in Österreich nicht der Dialog ist.) Zweifellos hat er viel für sein Kanton getan. Seit jeher plädiert er für eine deutliche Abgrenzung der "braven" Gefolgsleute gegenüber Ausländern und unternahm einige Versuche derlei Gesinde aus Kärnten zu verbannen. So sprach er mehrmals auf Kundgebungen zu Veteranen der Waffen-SS, was sich gut mit einigen rassistischen und antisemitischen Aussagen ergänzt. Haider bezeichnete den österreichischen Staatsvertrag, der die Basis der Zweiten Republik Österreichs bildet, als "historisch bedeutungslos", gerade im Hinblick auf seine unerwünschte slowenische Bevölkerungsrandgruppe. Auch versuchte er mehrmals Asylbewerber unter seiner Obhut an Nachbarkanton Traiskirchen abzuschieben, wofür ihm bereits eine milde Haftstrafe versprochen wurde. Beachtenswert ist, dass Haider dabei permanent sein Bürgertum hinter sich hatte, zumal er es mit dem Gesetz nicht sehr genau nahm: "die Sprüche des Verfassungsgerichtshofes akzeptieren wir nicht, da das Volk es so will."
Bayern in Österreich?
Bei diesem politischen Umbruch zur Pseudo-Autonomie lassen sich schon gewisse Parallelen zum Bundesland der Weißwürste ziehen, obschon der Hass letzterer sich hauptsächlich auf Killerspieler und Ungläubige beschränkt. Naja, so richtig vorteilhaft klingt das auch nicht.
Ich bin nur froh, dass das Land der Kunstschneeberge seine Rechtsextremen diesmal für sich behält. Man soll ja über Tote nicht schlecht reden, aber wenn wir aus Hitlers Akte alle Missetaten herausstreichen, bleibt nicht mehr viel. Judenverfolgung, Volkshetze, Kriegtreiberei, für diesen ganzen fremdenfeindlichen Kram fehlen uns gänzlich die Kapazitäten. Nee, das macht unser unbeliebter Nachbar bitte alleine!
Mulder hilf!
Derweil erfindet die Kärntner Presse wilde Verschwörungstheorien, um ihrem Vorsitzenden einen möglichst euphemistischen Abgang zu verschaffen. Der Partyveranstalter bestätigte, Haider hätte die Disco gegen 1 Uhr nüchternen Zustands verlassen. Laut einschlägigen Zeitungsberichten hätte er anschließend 7 Maß Bier oder 20 Schnapsgläschen leeren müssen, um auf den finalen Wert von 1,8 Promille zu kommen. Höchst seltsam! Gut deutsche Jugendliche wissen, eine Flasche Wodka reicht zum Erreichen des Spielziels "Unfalltod" völlig aus. Oder ein Gläschen Hustensaft intravenös.
So sehr mich das blutige Schicksal des alkoholisierten Rasers auch bewegt (gut 580 Wörter, ich krieg fast schon einen Schreibkrampf im linken Mittelfinger!), ich kann mich partout nicht in eine Stimmungslage unterhalb der Grenze "stoisch unbekümmert" bewegen, selbst unter Einsatz von Zwiebeln und aktuellen Kontoauszügen. Österreich bleibt für mich eines jener Länder dessen touristische Anziehungskraft mich den Urlaub im heimischen Garten bejubeln lässt und teilt sich daher einen Platz mit Nowosibirsk und Afghanistan.
Tschüss Jörg!
Jedenfalls ist Jörg Haider, Landeshauptmann von Kärnten, am vergangenen Samstag verstorben. Mit einer Geschwindigkeit von 142 km/h befuhr er eine 70-km/h-Strecke und suchte im Rausch seiner 1,8 Promille Körpernahen Kontakt zu einem Betonpfeiler, was letztendlich zu äußerst unangenehmen Verletzungen führte. Wenigstens eines hat Österreich mit Deutschland gemeinsam: überhöhte Geschwindigkeit und Blutalkohol wirken Lebenszeit und Wohlgefühl gleichermaßen entgegen.
Jetzt könnte man ja meinen, dass mit dem weltlichen Abschied alles geklärt sei. Aber nein, plötzlich wird Haider zum Volksheld. Oder verwechselt man ihn nur mit seinem Beinahe-Namensvetter Joseph Haydn? Im Überschwang der Trauergefühle kann das schon mal passieren, besonders hinter dem unüberschaubaren Horizont Kärntner Kurzsichtigkeit. Was will man denn auch von einem Land erwarten, in dem die rechtsorientierte BZÖ satte 39,4% der Wählerstimmen einheimst?
Persönliche Erfolge
Ich will hier nicht unfair vorurteilen, andernfalls stünde ich schnell auf einer sozialpolitischen Stufe mit Frau Merkel. Und bis zu den Kniekehlen im Dreck zu stehen hat mir noch nie gefallen. Betrachten wir also die ruhmreichen Erfolge des ehemaligen Landeshauptmanns. (Der Begriff Landeshauptmann lässt eigentlich schon durchblicken, dass die vorrangige Problembewältigungsstrategie in Österreich nicht der Dialog ist.) Zweifellos hat er viel für sein Kanton getan. Seit jeher plädiert er für eine deutliche Abgrenzung der "braven" Gefolgsleute gegenüber Ausländern und unternahm einige Versuche derlei Gesinde aus Kärnten zu verbannen. So sprach er mehrmals auf Kundgebungen zu Veteranen der Waffen-SS, was sich gut mit einigen rassistischen und antisemitischen Aussagen ergänzt. Haider bezeichnete den österreichischen Staatsvertrag, der die Basis der Zweiten Republik Österreichs bildet, als "historisch bedeutungslos", gerade im Hinblick auf seine unerwünschte slowenische Bevölkerungsrandgruppe. Auch versuchte er mehrmals Asylbewerber unter seiner Obhut an Nachbarkanton Traiskirchen abzuschieben, wofür ihm bereits eine milde Haftstrafe versprochen wurde. Beachtenswert ist, dass Haider dabei permanent sein Bürgertum hinter sich hatte, zumal er es mit dem Gesetz nicht sehr genau nahm: "die Sprüche des Verfassungsgerichtshofes akzeptieren wir nicht, da das Volk es so will."
Bayern in Österreich?
Bei diesem politischen Umbruch zur Pseudo-Autonomie lassen sich schon gewisse Parallelen zum Bundesland der Weißwürste ziehen, obschon der Hass letzterer sich hauptsächlich auf Killerspieler und Ungläubige beschränkt. Naja, so richtig vorteilhaft klingt das auch nicht.
Ich bin nur froh, dass das Land der Kunstschneeberge seine Rechtsextremen diesmal für sich behält. Man soll ja über Tote nicht schlecht reden, aber wenn wir aus Hitlers Akte alle Missetaten herausstreichen, bleibt nicht mehr viel. Judenverfolgung, Volkshetze, Kriegtreiberei, für diesen ganzen fremdenfeindlichen Kram fehlen uns gänzlich die Kapazitäten. Nee, das macht unser unbeliebter Nachbar bitte alleine!
Mulder hilf!
Derweil erfindet die Kärntner Presse wilde Verschwörungstheorien, um ihrem Vorsitzenden einen möglichst euphemistischen Abgang zu verschaffen. Der Partyveranstalter bestätigte, Haider hätte die Disco gegen 1 Uhr nüchternen Zustands verlassen. Laut einschlägigen Zeitungsberichten hätte er anschließend 7 Maß Bier oder 20 Schnapsgläschen leeren müssen, um auf den finalen Wert von 1,8 Promille zu kommen. Höchst seltsam! Gut deutsche Jugendliche wissen, eine Flasche Wodka reicht zum Erreichen des Spielziels "Unfalltod" völlig aus. Oder ein Gläschen Hustensaft intravenös.
So sehr mich das blutige Schicksal des alkoholisierten Rasers auch bewegt (gut 580 Wörter, ich krieg fast schon einen Schreibkrampf im linken Mittelfinger!), ich kann mich partout nicht in eine Stimmungslage unterhalb der Grenze "stoisch unbekümmert" bewegen, selbst unter Einsatz von Zwiebeln und aktuellen Kontoauszügen. Österreich bleibt für mich eines jener Länder dessen touristische Anziehungskraft mich den Urlaub im heimischen Garten bejubeln lässt und teilt sich daher einen Platz mit Nowosibirsk und Afghanistan.