Mailand. Italiens Fußball-Meister Inter Mailand und Champions League-Sieger AC Mailand drohen wegen Bilanzfälschung schlimmstenfalls die Aberkennung von Titeln und der Zwangsabstieg. Damit steht dem von Manipulationen und Gewaltexzessen gebeutelten "Calcio Italiano" der nächste Skandal ins Haus. Der Mailänder Staatsanwalt Carlo Nocerino wirft den Verantwortlichen beider Top-Klubs vor, die Liga-Lizenzen für die Saison 2005/06 mit Hilfe von Bilanzmanipulationen erschlichen zu haben. Nach einer nun bevorstehenden Anklage und einer möglichen Verurteilung vor einem Zivilgericht drohe Inter vom Fußball-Verband die Aberkennung des Meistertitels 2006 und beiden Klubs hohe Strafen bis hin zum Zwangsabstieg, berichtete "La Gazzetta dello Sport".
Beide Vereine wiesen die Anschuldigungen zurück. Inter-Präsident Massimo Moratti nannte sie "absurd", Milans Vize-Präsident Adriano Galliani betonte, Milans Bilanzen seien "absolut korrekt". Demgegenüber behauptet die Staatsanwaltschaft, beide Klubs hätten durch überhöhte Spielerwerte Bilanz-Defizite künstlich ausgeglichen. Dabei hätten sie untereinander und im Austausch mit anderen Vereinen Spieler zu völlig überhöhten Preisen transferiert. So habe Inter im Sommer 2003 Matteo Giordano für drei Millionen Euro an Milan verkauft. Dessen realistischer Wert habe aber nur bei knapp 300 000 Euro gelegen und Inter eine um 2,7 Millionen Euro überhöhte Einnahme in der Bilanz verbuchen können.
Für die kaufenden Clubs hätten sich überhöhte Preise ebenfalls gerechnet, da kein Geld floss, sondern eigene Spieler für die Neuzugänge eingetauscht wurden. Deren Werte seine ebenfalls überhöht gewesen, so dass dem zum überhöhten Preis kaufenden Klub dennoch kein Minus in der Bilanz entstand. "Ohne diese Bilanz-Operationen hätten die Klubs nicht die Bedingungen für den Erhalt der Spiellizenz 2005/06 erfüllt", schreibe die Staatsanwaltschaft in ihrem Abschlussbericht.
Ausgelöst hatte die Ermittlungen eine Anzeige des italienischen Verbraucherschutzverbands im Frühjahr vorigen jahres. Ob Inter und Milan vor einem Gericht aber tatsächlich in letzter Instanz verurteilt werden, ist fraglich. Italiens Justiz ist bekannt für ihre langsamen Marathon-Prozesse, die dann nicht selten wegen Verjährung eingestellt werden. Angeblich vorsätzliche Fälschungen werden den Klubs nach Expertenmeinung ohnehin nur schwer nachweisbar sein.
Die Technik der so genannten "Plusvalenze" war im italienischen Fußball lange Zeit üblich. Ein ähnlicher Bilanzfälschungsprozess läuft bereits gegen AS-Rom-Präsident Franco Sensi und den ehemaligen Lazio-Rom-Präsidenten Sergio Cragnotti. Beobachter rechnen aber nicht mit ernsten Konsequenzen für die Angeklagten. In Genua sind der FC Genua, Udinese Calcio, Sampdoria Genua und der AC Mailand angeklagt.