Sind Videospiele Kunst?

XDVD

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ich sehe die regelmäßigen ard-zuschauer lächeln. videospiele, kunst? äh, ja. videospiele, das ist doch das, was "die jungen" heute machen, den ganzen tag. vor den kisten sitzen, und sich interaktiven, gewalttätigen metzel-orgien hingeben. ein monster nach dem anderen abschlachten, arme, beine und köpfe fliegen lassen. den sinn für die realität verlieren, mit einer schrotflinte in der hand an die frische luft rennen - "seine letzten worte waren ein kurzer kommentar zur endgeilen grafik" - und alles was den mut hat sich zu bewegen, abknallen. so stellen die herren bei den öffentlich-rechtlichen zumindest das medium videospiel ganz gerne dar. und die leute, die sonst immer über die primitiven bild-leser lachen schlucken die pille und fühlen sich wahnsinnig intellektuell, wenn sie von nun an videospiel völlig als ziiiieemlich negative entwicklung darstellen können. positiver nebeneffekt: man hat einen sündenbock für den haufen kinder, den man erziehungs-technisch in den sand gesetzt hat.

aber bevor ich vergessen habe was das eigentlich thema ist, komme ich lieber wieder darauf zurück, können videospiele kunst sein? ich behaupte: ja.

Bild

seit pacman und pong hat sich die technik weiterentwickelt, um ein sehr beachtliches stück. wo früher bunte quadrate und kreise über den bildschirm flogen, hat man heute riesige landschaften, detaillierte 3d-modelle. wenn ich so darüber nachdenke - videospiele sind die einzige kunstform, die sich von der abstraktion wieder hin zum realismus entwickelt. pacman ist so abstrakt, dass kandinsky verdammt große augen machen würde. an die bildende kunst-horde: ein gelbes ding, dass von undefinierbaren viechern verfolgt kekse fressend durch ein mehr oder weniger komplexes tunnelsystem flieht. wie kann man das interpretieren? was motiviert unseren protagonisten, kekse zu essen? aber hey, vergesst es, denn die wahrheit ist: abgesehen von einigen retro freaks interessiert sich heute keiner mehr für gelbe dinger, die von undefinierbaren viechern verfolgt kekse fressend durch tunnel fliehen. videospiele haben sich (zumindest in einigen aspekten) weiterentwickelt, eben auch in sachen grafik. ich möchte hier nicht auf die vielen sportspiele o.ä. eingehen, sondern eben auf die titel, die ich für künstlerisch wertvoll erachte. (bevor ein argument aus der richtung kommt: es gibt auch im TV viel, viel müll, aber deswegen würde keiner bestreiten, dass es sich bei guten filmen um kunst handelt. genauso auch bei videospielen. ein sportspiel hat das künstlerische niveau einer sprudelflasche). wo wir eben schon bei abstrakt waren, können wir auch gleich einmal mit abstrakten videospielen anfangen. als beispiel möchte ich REZ von sega-mastermind tetsuya mizuguchi nehmen. (rein zufällig ist es kandinsky gewidmet)

die meisten spielemagazine beschreiben REZ als ein videospiel, das wie ein lsd-rausch aussieht, nur eben ohne lsd. da ich nicht weiß, wie ein lsd-rausch aussieht, kann ich das nicht bestätigen, aber ein interessantes spiel ist es allemal. das spielprinzip ist schnell erklärt: man fliegt durch eine landschaft aus lichtern, strichen und einfachen geometrischen formen und "schießt" dabei auf vorbeifliegende objekte. je mehr objekte man trifft, desto intensiver wird die musik und desto bunter und voller die grafik. dabei wird jedes element, das videospiele bieten, ausgenutzt. man fühlt vibrationen im rhytmus der musik, man sieht bunte bilder, die sich ständig verändern, ständig neue farben und formen annehmen, man hört die musik... an solchen spielen sieht man, was videospiele bieten, was andere formen der kunst nicht bieten können: eine mischung aller klassischen kunstformen ("malerei", musik, plastizieren, ...) sowie einer neuen, nämlich der interaktivität. wenn man vorher vor einem bild stand und irgendetwas in die richtung "ähm, ja, das bild... berührt mich... ähm, emotional" vor sich hin stammeln musste, kann ein videospiel den spieler durch das element der interaktivität viel direkter erreichen, als das mit jeder anderen kunstform möglich wäre. ich bin mir völlig sicher, dass künstler, die den menschen durch abstraktion gedanken, emotionen und erlebnisse näher bringen, die in ihnen etwas bewegen wollten, sofort ein videospiel designt hätten. hätte kandinsky eine playstation2 gehabt, ...

aber abstrakte kunst liegt nicht jedem, deswegen komme ich jetzt zu der wesentlich häufiger vertretenen art von spielen, nämlich denen, die eine möglichst realistische grafik erreichen möchten. dazu als erstes ein beispiel ebenfalls aus japan, nämlich ICO von Fumito Ueda.

Ico ist in vielerlei hinsicht ein besonderes spiel. einerseits, weil die spielmechanik so simpel ist, dass man sie getrost als revolutionär bezeichnen kann, andererseits, weil das design in der form bis dahin wirklich ungesehen war. worum geht es in dem spiel? man verkörpert einen kleinen jungen, der in einer riesigen burg eingesperrt wird und der nun wieder entkommen möchte. das interessante an der grafik des spiels ist die art, auf die sie eine ganz besondere, "magische" atmosphäre erzeugt. wie man auf den bildern sehen kann, ist die burg an sich relativ monoton gestaltet. durch den extrem stimmungsvollen einsatz von licht wird das szenarion so malerisch, dass diese ganz besondere, "magische" Ico-stimmung aufkommt, die so kein bild erzeugen könnte. auch hier würde jedes einzelne bild als kunstwerk durchgehen, aber in der summe der videospiel-elemente, entsteht noch viel, viel mehr. man hört die stimmungsvollen klänge (auf musik wurde fast komplett verzichtet), hört den wind, sieht wie einige tauben wegflattern, wie sich das sonnenlicht in einem brunnen bricht, wie das gras im wind weht... dadurch, dass man die kamera frei schwenken kann, sich in ruhe anschauen kann was man möchte, ist ico jedem bild und film voraus. übrigens ist ico eines der wenigen spiele, wo die spieler ohne etwas zu tun, einfach nur dastehen und die kamera schwenken, sich die unglaublichen aussichten anschauen, die burg bewundern.


viel mehr möchte ich zu dem element "bild" in videospielen nicht sagen. ich hoffe ich konnte zeigen, dass videospiele oft so schön gestaltet sind, dass das bild für sich genommen schon kunst ist wäre, aber mit den anderen elementen kombiniert etwas viel größeres ergibt.

Interaktivität

interaktivität mag auf den ersten blick nicht besonders künstlerisch wirken. sie ist das bindeglied zwischen spieler und spiel, sie sorgt dafür, dass er in die künstliche welt eingesogen wird. aber oft ist es tatsächlich nur das und nicht mehr. es geht aber auch etwas komplexer.

nehmen wir mal shadow of collosus. die story grob zusammengefasst ist: ein junger krieger kommt mit einem leblosen mädchen im arm in einen tempel und bittet darum, dass sie doch wiederbelebt werden möge. der tempel möchte ihm den wunsch gewähren, alles was er tun muss ist einige riesen-"viecher" die in der landschaft herumrennen zu töten. der haken an der sache ist: die riesen-viecher haben einem nichts getan, sie haben niemandem etwas getan und sehen zu allem überfluss noch nicht einmal wirklich böse aus. der spieler muss sie töten ohne einen wirklichen grund zu haben, muss völlig gegen seine moralvorstellung handeln. hier kann man sehen, auf welche unglaublich art interaktivität eingesetzt werden kann. bei welchem film, buch oder bild hat man beim lesen/anschauen einen moralischen konflikt? das ist nur bei einem videospiel möglich, also nur möglich, wenn der mensch so eng mit dem medium verknüpft wird.

Geschichten

die geschichten sind das wahrscheinlich schwierigste thema bei videospielen, weil nicht nur die geschichte an sich zählt, sondern auch die art, wie sie präsentiert wird. an sich sind sie oft sehr gut. vor allem in japan versuchte man schon immer durch videospiele richtig große werke zu vermitteln: lange geschichten mit komplexen charakteren, gesellschaftskritisch, mit dramatischen wendungen... alles, was man sich wünschen kann, ist drin. es macht spaß die story zu verfolgen, man will wissen, wie es weitergeht. kurz, irgendwann leidet man wie in einem guten roman mit den charakteren mit und ist traurig, wenn es vorbei ist.

trotzdem haben diese spiele den schritt vom film zum videospiel noch nicht komplett vollzogen. sie sind mehr wie filme mit eingeschobenen interaktiven elementen. man läuft irgendwo hin, bekämpft unterwegs ein paar monster (ohne blut und ohne abgetrennte gliedmaßen, übrigens), und sieht dann am zielort, wie die story weitergeht, dann geht das spielchen von vorne los. trotzdem bin ich der meinung, dass videospiele langsam eine eigene erzählmechanik entwickeln, spiele wie ico, shadow of colossus oder fahrenheit sind der beste beweis dafür. es sind nicht die zum teil sehr langen videosequenzen in denen man inaktiv im sofa sitzt, sondern kleine, kurze sequenzen, die erzählen wie es weitergeht und einen dann wieder der interaktivität überlassen, die ein gutes videospiel ausmachen. früher war eine gute story vielleicht notwendig, um die intensive atmosphäre zu erzeugen, die nötig ist um ein spiel interessant zu machen, heute kann diese atmosphäre aber auch durch andere mittel erzeugt werden.

to be continued...
 
da hast du dir aber Mühe gegeben.
Respeckt
Mfg Krieger
 
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