Ultima VI ? The False Profit

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StHubi

Gast
Es ist schon eine Weile her, dass ich euch von Ultima IV und Ultima V berichtet habe. Falls ihr die beiden Berichte noch nicht gelesen habt, ist es wohl noch nicht lange genug her! Also lest euch erst mal in die große Geschichte von Ultima ein - ich warte hier dann wieder so lange. In meinem Alter habe ich ja nichts Besseres zu tun als auf die jungen Dinger aus Deutschland und Österreich oder auch der Schweiz zu warten?

Habt ihr wirklich die beiden Berichte gelesen? Oder euch zumindest vorlesen lassen? Auf mich hört ja keiner? Jedenfalls erschien Ultima VI ? The False Prophet 1990 für DOS Computer (das war so ein Betriebssystem lange vor Windows) und war das bis dahin wohl großartigste Rollenspiel, das man sich vorstellen konnte! Garantiert gab es irgendwo die Personen, die damals die folgende oder eine sehr ähnliche Unterhaltung geführt haben:
"Ich habe einen echt megageilen, analogen Samstagabend mit meiner Freundin verbracht. Wenn du verstehst, was ich meine?" Hier bitte ein schweinisches Zwinkern, des Sprechers vorstellen, keine Ahnung wie das aussieht. Kurze Pause des Zuhörers, dann seine Entgegnung:
"Ihr habt euch Dirty Dancing zweimal hintereinander auf VHS angesehen und du hast dich danach in den Schlaf geweint, weil du wusstest, dass ich zu der Zeit gerade Ultima VI spiele?"

So ungefähr kam es damals bei euren PC begeisterten Kumpels an, wenn man ihnen erzählte, dass man Ultima VI spielen konnte! Das galt auch für die Freunde, die keine Freundin mit Dirty Dancing VHS-Kassette hatten (was in den 90ern vermutlich extrem schwer war), sondern auch für Leute mit einem etwas älteren PC. Denn Ultima VI war der erste Teil der Reihe, der von besserer Hardware im PC profitieren konnte! So bekamen wir treuen Ultima-Anhänger oder Avatare, wie wir uns nennen, damals zum ersten Mal VGA Grafik! Zum Glück war VGA mit 640x480 Pixeln der damals vorherrschende Standard und nur wenige Spieler hatten eine schwächere Grafikkarte. Doch bei den Soundkarten wurde es bereits dünner, da die noch nicht ganz selbstverständlich und auch nicht immer bezahlbar waren. Auch der Festplatten-Platzbedarf von 4 MB (1 MB ist ein 1.000stel eines Gigabytes für euch Terrabyte-Platten-Besitzer da draußen) war manchen Leuten damals einfach etwas zu viel für ein Spiel.

Die Packung des Spiels war für Ultima-Titel erstaunlich groß, aber es mussten ja auch vier 3,5"-Disketten darin ausgeliefert werden. Wahlweise gab es das Spiel auch auf 5,25"-Disketten. Ebenfalls in der Packung befanden sich eine wunderschöne Stoffkarte von Britannia und ein Mondstein (der war aber nicht schön, der war nur schwarz).
Hinweis: Ich habe den Stein stundenlang auf den Boden geworfen, aber es hat sich nie ein Mondtor nach Britannia geöffnet. Ich vermute, dass jemand den echten Mondstein gegen einen kleinen, schwarzen Stein ausgetauscht hat, da ich das Spiel nur gebraucht über eine elektronische Bucht-Webseite bekommen habe.

Die Story spielt einige Jahre nach Ultima V. Der Avatar verbrachte diese Zeit in unserer Welt und war gezwungen sich erst mal ein neues Wohnzimmer einrichten, da ihm irgendwelche Typen am Ende von Ultima V die Wohnung ausgeräumt hatten. Vermutlich haben die sogar seinen C64 gestohlen ? DIE SCHWEINE!!! ? und er musste sich einen PC kaufen.
Eines Tages schlägt der Blitz in den Steinkreis hinter seinem Haus ein. An der Stelle des Einschlags findet der Avatar einen Mondstein, genauso einen wie ihn Lord British am Ende von Ultima V benutzt hat bzw. wie das Exemplar, das ich stundenlang auf den Boden geworfen habe. Mit Hilfe des Steins öffnet er ein rotes Mondportal und geht sofort hindurch. Auf der anderen Seite wird er überwältigt und auf einen der acht Tugenden-Schreine gefesselt und ein Opfer-Ritual beginnt. Vermutlich ist es der Schrein der Opferbereitschaft, aber dieses Opfer geht doch etwas zu weit. Seine Häscher sind monströse, rote Kreaturen, die der Avatar noch als Dämonen aus seinen bisherigen Abenteuern kennt. Ein Armbrustbolzen in den Kopf des Opfer-Priesters beendet das schaurige Ritual und der Avatar kann mit drei seiner plötzlich erschienenen Freunde durch ein weiteres Mondtor entkommen. Zwei der Monster folgen der Gruppe und alle landen im Thronsaal von Lord British, wo der Spieler dann seinen ersten Kampf gegen diese beiden Gegner austragen darf.

Hat der Spieler gewonnen, erzählt Lord British, dass diese Kreaturen als Gargoyles bezeichnet werden und in Scharen über Britannia hergefallen sind. Sie haben ganze Dörfer zerstört, Einwohner ermordet und die acht Schreine der Tugenden in Beschlag genommen. Daher wurde der Avatar nach mehreren Jahren des Krieges gegen diesen neuen Feind gerufen, denn einer Prophezeiung zufolge soll einst ein "Great One" erscheinen und den Konflikt zwischen Licht und Schatten beenden. Wer bei dem Begriff "Great One" jetzt irgendwelchen Schweinkram denkt und darüber lacht, sollte sich schämen!

Wieder einmal spielen wir den Avatar und wieder einmal handelt es sich um den typischen Spielstart, in dem eine große Bedrohung das Land heimsucht. Doch ein weiteres Mal beweisen die Programmierer und der Autor Lord British (das ist der Künstlername von Richard Garriott), dass der Schein trügen kann. Wie sich herausstellt, wurde die Unterwelt aus Ultima V größtenteils durch Erdbeben vernichtet. Doch ein bisher versteckter Teil dieser Unterwelt war der Lebensraum der Gargoyles und sie haben aus Angst vor ihrer Auslöschung den Krieg gegen das Volk erklärt, dass den in ihren Augen "Falschen Propheten", den Avatar, verehrt. Nach langen Gesprächen mit dem König der Gargoyles findet der Avatar schließlich heraus, dass es auch um einen Konflikt wegen des Codex der Ultimativen Weisheit geht. Er gehörte eigentlich den Gargoyles bis der Avatar ihn in Ultima IV für Britannia beansprucht hat und Lord British ihn vor Ultima V an die Oberfläche holte ? Au weh! Der Avatar nervt jetzt? Klar war die Handlung des Films von Cameron ziemlich langsam und stereotypisch erzählt? Oh? Es geht ja um den Helden in diesem Spiel: Was eine überraschende Wendung! Ist unser Avatar etwa der heimliche Schwipp-Schwager von Mondain? Ist er der Halbbruder von Exodus? Gab es eine Dreiecksbeziehung mit Minax? Vermutlich nicht, aber es wirft ein ganz anderes Licht auf die Taten des Avatars und von Lord British in den letzten Teilen der Ultima Serie. Um den Streit bei zu legen, teleportiert der Avatar den Codex in die Zwischenwelt des "Void". Mit Hilfe zweier Linsen, von denen jeder König eine bekommt, kann man den Codex wieder lesen. Happy End? Oder nicht?

Die Welt von Ultima sah in diesem Teil richtig beindruckend aus. Außerdem wurde für Kämpfe nicht mehr in einen Kampfbildschirm gewechselt und auch die Dungeons wurden jetzt in der Vogelperspektive dargestellt. Das Spiel wirkte durchgehend wie aus einem Guss. Ebenfalls neu war die Bedienung mit der Maus, was damals ein wahrer Meilenstein für das Genre war. Ein weiterer riesiger Pluspunkt des Spiels war die manipulierbare Welt: Es war fast alles möglich! Nicht so wie heute, wo man beim Versuch etwas zu kombinieren darauf hoffen muss, dass man nicht wieder einen der 1024 Bugs erwischt hat.
Benutzte man eine Schere mit Kleidung, erhielt man Bandagen. Man konnte mit ein paar Zutaten Brot backen. Trauben wurden in einer Presse zu Wein verarbeitet. Die Welt war vollständig interaktiv und fast eine Simulation geworden. Die bereits aus Teil V bekannten Tag- und Nachtzyklen waren auch wieder mit dabei. Auch mehrere kleine Nebenaufgaben, die man heute ja neudeutsch Quests nennt, bereicherten das Spielerlebnis enorm. Nur gab es damals noch kein Journal und bei den Gesprächen musste man immer noch tippen, so dass der Spieler nicht so wie heute vollkommen grenzdebil sein durfte, um die Story zu schaffen.

Inzwischen war es sogar möglich geworden mit den Mitgliedern der Gruppe zu sprechen oder diese als einzelnen Charakter zu steuern. Das war mitunter notwendig, da manche besondere Charaktere an Orte gelangen konnten, die anderen verschlossen blieben. Das interessanteste Beispiel ist die Hausmaus von Lord British, die auf den Namen Sherry hört. Nur mit ihr war es möglich eine der Runen der Tugenden aus einem "Mauseloch großen Geheimgang" zu holen.
Die bisher so "flachen" Gargoyles, gewinnen dann im Spiel ebenfalls an Profil. Sie besitzen eine ausgearbeitete Religion:
Sie verehren drei Prinzipien und haben es geschafft den Geist von Minax (die Schurkin aus Ultima II ? Nervt jetzt erst recht!) in den Schrein der Hingabe zu binden. Sie unterhält sich sogar mit dem Avatar. Dies ist nur einer der Momente des Spiels, in dem das Ultima-Universum einfach einen runden, detaillierten und konsistenten Eindruck macht. Bevor ich es vergesse: Die Gargoyles haben auch Mondain (der nervende Sack aus Ultima I) und Exodus (die nervige Endgegner-Maschine aus Ultima III) auf ähnliche Weise an ihre Schreine gebunden. Alle drei Geister bereuen inzwischen ihre Taten. Doch nach den Ereignissen von Ultima VI wird ein Erdbeben die Schreine zerstören. Ob das so gut für die Zukunft von Britannia sein kann? Wir werden es erleben? Oder nur erlesen?

Wer von euch Jungspunden mal wieder eine richtig gute Geschichte erleben will, sollte versuchen sich Ultima VI zu besorgen. Das wird leider alles andere als leicht sein, da alte Säcke wie ich auf den Originalversionen sitzen? Doch für ungeduldige gibt es wieder eine kostenlose Mod für Dungeon Siege, die sich das Ultima 6 Project nennt. Bisher habe ich diese Mod nicht ausprobiert, da mich mehr als 256 Farben einfach zu sehr anstrengen würden. Aber die Jugend von heute braucht da wohl härteren Farbstoff als ich damals um Spaß zu haben.

Dieser Teil der Reihe schloss die zweite Ultima Trilogie mit dem Namen "The Age of Enlightenment" ab. Was für eine Erleuchtung und vor allem Bereicherung für Rollenspieler diese Trilogie war, habe ich hoffentlich mit meinen drei Blogs vermitteln können. Vielleicht schaffe ich es auch noch vor dem Ablauf meiner Lebenszeit einen Blog über Ultima VII zu verfassen? Dann werde ich euch vom Krieg gegen den Guardian berichten! Was das für ein Krieg war? Mit unglaublichen Höhen und noch unglaublicheren Tiefen? Dem Höhepunkt der Ultima-Reihe? Dem absoluten Tiefpunkt der Rollenspiel-Serie meines Herzens? Dem gebrochenen Herzen, das diese letzte Trilogie mir zufügte? Interessiert das hier eigentlich noch jemanden? Hat jemand bis hier hin durchgehalten? Oder habt ihr alle mittendrin abgebrochen, weil der alte Mann euch viel zu bedeutungsschwangere Worte um die Ohren gehauen hat? Mit mir kann man es ja machen!
 
Bei Gesprächen musste man selbst tippen? Und das Spiel verstand das? Oo
Oder waren das auch wieder Standardantworten die man einfach tippen musste weil...ja...warum auch immer.
Das verwirrt mich ehrlich gesagt grade etwas.

BTW: Wenns das Spiel original neu nicht mehr zu kaufen gibt hätte ich persönlich keine moralischen Bedenken es runter zu laden...aber das soll jetzt keine Aufforderung sein.

Ach ja, schöner Blog.
 
Danke für das Lob!

Man musste bei Ultima VI tatsächlich noch tippen. Es wurde mit "Codewörtern" gearbeitet. Tippte man "Job" ein, erzählten die Figuren dir einen Schwall aus ihrem Arbeitsalltag. Nach "name" gefragt, gab es dann ihren Namen. In Ultima VI wurden netterweise benutzbare Worte rot geschrieben, so dass man recht schnell darauf kam, was man tippen musste.

Richtige Sätze musste man in Wizardry VI und VII tippen. Wow... DAS waren Spiele! Knallhart wie Stahl und ein richtig aufwendiges Charaktersystem. Allerdings pures Hack 'n' Slay als Hauptbeschäftigung... Ach ja... Die gute alte Zeit :)
 
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