Varyare, glorreiche Verfechterin des Lichts...oder so.

M

mayaku

Gast
Die Rüstung fühlte sich um einiges schwerer an als sonst und ihr Schädel dröhnte.
Dass sie auf einem Tisch im Inneren einer der vielen Tavernen Ironforges erwachte, sollte ihr eigentlich zu denken geben.

Allerdings war ihr das in den letzten Tagen schon des Öfteren passiert. Sie gähnte herzhaft ohne sich sonst großartig zu bewegen.
Die Paladin lag auf dem Bauch, die Arme und Beine in recht interessanten Winkeln vom Körper gestreckt. Ein schwerer Handschuh war von der linken Hand auf einen Schemel gefallen, sonst schien es keine Verluste zu geben.

Ironforge war der beste Ort in ganz Azeroth für ein Nickerchen mit dickem Schädel.
Da hier ständig irgendjemand entweder durch das starke Bier der Zwerge, magische oder natürliche Substanzen oder schiere Übermüdung in einen Schlaf verfiel, der einem gepflegten Koma in nichts nach stand, waren die moralischen Grundsätze mit der Zeit sehr gefestigt, was das Bestehlen von schlafenden Personen an öffentlichen Orten anging.

Vor einigen Jahrhunderten hatten etliche gepflegte Hinrichtungen an Schurken, die sich nicht beherrschen konnten, für eine deutliche Verbesserung der zuvor katastrophalen Zustände gesorgt. Einige der wirklich alten Einwohner Ironforges bekamen heute noch glänzende Augen, wenn sie von den auf die Hinrichtungen folgenden Polo-Spiele vor der Bank von Ironforge erzählten.
Besonders Elfenköpfe - vor dem Spiel natürlich von den langen Ohren befreit - eigneten sich hervorragend als Ball.

Hin und wieder war eine Wiederbelebung dieser Sitte mit Orc- oder Taurenköpfen versucht worden, doch fanden diese Spiele kaum Zuschauer und so hatte man sich wieder auf die traditionelleren Spiele wie zwergisches Wettsaufen besonnen.

Varyare hatte eigentlich kaum etwas getrunken. Zumindest nichts mit nennenswerten Alkoholwert, allerdings machten die ganzen Dämpfe und ätherischen Ausdunstungen von Zaubern des heiligen Lichts auf Dauer einen noch mehr stoned als das Zeug, das die albern kichernden Druiden am Tisch neben ihr rauchten.

Sie konnte die Typen nicht sehen, denn dann hätte sie den Kopf drehen müssen, aber sie konnte sie hören und das Kraut, das sie rauchten, konnte sie riechen.
Es ging das Gerücht, dass Druiden, die den Weg des Kampfes gewählt hatten, ihren Brüdern, die auf dem Pfad der Heilung unterwegs waren, die Blätter im Schlaf ausrupfen und diese dann rauchten.

Pfeifenkraut war für diese stinkigen Hippies nicht mehr ausreichend, es musste immer exotischeres oder ungewöhnlicheres Zeug sein.
Varyare hielt die ganze Sippschaft der Druiden im Großen und Ganzen für gutmütige Vollidioten.
Die ganze Zeit am kichern, lachen oder dämlich grinsen und drauf wie nichts Gutes.
Eigentlich recht putzig, lachende Katzen und auf dem Boden herum rollende Bären hatten schon was für sich und die meisten waren im Krieg und auf einem Raid auch zu gebrauchen, allerdings gingen ihr diese Gestalten auf den Zeiger, die sich absichtlich in ihre Nähe stellten, um von den heiligen Dämpfen ihrer Zauber auch noch etwas einzuatmen.

Sie grunzte abfällig, was im allgemeinen Lärm in der Taverne allerdings unterging. Ein paar menschliche Schurken, die auf Varyare gerade so bedrohlich wirkten, wie die erste Klasse aus dem Waisenhaus in Stormwind, versuchten einen Gnom-Hexenmeister beim Kartenspiel über den Tisch zu ziehen.
Varyare beobachtete sie eine Weile, wie sie aufgeregt zappelnd und brummend kaum noch verhehlen konnten, dass sie mit gezinkten Karten spielten.
Der Hexenmeister hingegen war die Ruhe selbst.

Der Einsatz des Hexenmeisters war wohl seine Succubus, was die Schurken gesetzt hatten konnte sie aus ihrer unvorteilhaften Position auf ihrem Tisch nicht erkennen.
Neugierig schaute sie dem munteren Treiben eine Weile zu, bis sie realisierte, dass der Hexenmeister wohl wusste, dass die Schurken ihn betrügen wollten und er seinerseits schon einen schwarzmagischen Glückszauber gewebt hatte, der dunkel und in den Dimensionen verschoben unter seinem Schemel schwebte.

Wäre Varyare nicht noch so auf Licht-Magie, dann hätte sie ihn wohl auch übersehen. Die für Magie fast völlig blinden Schurken wussten natürlich von nichts und konnten sich nicht erklären, warum sich nicht schon längst gewonnen hatten.

Ihr entfuhr ein Lachen, das den Weg durch den Mund nicht schaffte und als gruseliges Schnauben durch ihre Nase fegte.
Sie verschluckte sich, hustete und erhob sich endlich in eine sitzende Position.
Ihr Gildenwams vor völlig verrutscht und da sie eine recht offenherzige Rüstung trug, waren ein paar der Schurken für einen Moment von ihrem Anblick abgelenkt, was der Hexer nutzte, um seinem Zauber heimlich noch etwas mehr Wumms zu geben.

Sie rückte ihren Wams zurecht, verdrehte die Augen in Richtung der Schurken und angelte nach ihrem heruntergefallenen Handschuh. Das alles in einem einzigen merkwürdigen Bewegungsablauf ohne auch nur das kleinste Stück Anmut oder paladinischer Eleganz.

Als sie ihren Handschuh wieder an ihrer Hand hatte und aufrecht auf dem Tisch saß und sich die Taverne um sie drehte, hatte sie allerdings ganz andere Sorgen, als sich um ihr Auftreten als Verteidigerin des Lichtes Gedanken zu machen.

Nie wieder einen Drachen töten mit völlig unbekannten Kampfgefährten!
Selten hatte sie so viel zaubern müssen und ihr Kopf dröhnte nicht nur davon, sondern auch von den vielen Geschrei.
24 Krieger, Jäger, Magier, Hexer, Schurken - und wer sonst noch alles dabei war - und mindestens die Hälfte davon schrie in einer Tour, dass er bald sterben würde.
Als ob einem ernst zu nehmenden Heiler so etwas entgehen könnte.

"Nein, wir stehen nicht nur dumm herum oder versuchen dann irgendwann doch noch Schaden zu machen!" schimpfte sie mit dem Teller, auf dem sie wohl die ganze Zeit ihr Gesicht gebettet hatte.
Sie hob den Blick wieder und er fiel auf den Zauber des Hexers.
Keine Frage, der Typ hatte Mut.
Selbst wenn den Schurken nachgewiesen werden konnte, dass sie mit gezinkten Karten gespielt hatten, so war Betrug mit Hilfe von Magie innerhalb der Mauern Ironforges ein noch viel größeres Verbrechen.
Außerdem waren da noch die Druiden, die zwar nicht mehr zurechnungsfähig waren, aber den Zauber sicher auch sehen konnten.

Sie riskierte keinen Blick auf das immer noch kichernde Grüppchen.
Varyare hatte keine Lust dazu aufgefordert zu werden, ewig Weihe am Stück zu zaubern, nur damit die Druiden noch glücklicher waren.
Auch das war ihr schon oft passiert.

Als sich die Kopfschmerzen etwas gelegt hatten und sie nicht mehr das Gefühl hatte gleich zur Seite zu kippen oder sich übergeben zu müssen, rückte sie ihren Schild zurecht, legte eine Hand an ihren Streitkolben und erhob sich langsam, bis sie auf dem Tisch stand.

Zeit zu gehen.
TBC

(P.s.: "Varyare" ist meine Paladin in WoW)
 
Ich hoffe Du musst nicht auch irgendein Kraut rauchen um diese Story aufs Papier bzw. auf den Bildschirm zu zaubern.
 
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