Alles und nichts. Einen Stuhlschlag auf den Schädel kann man nicht spielen, erstrecht nicht, wenn der Einschlag durch die Halle geht. Manch extremere Athleten lassen sich direkt mit einem Stuhl oder Schild eins auf die Rübe geben, andere "federn" das mit den Händen ab, die sie vor den Kopf ziehen. Inszenieren läßt sich sowas also. Allerdings sind sämtliche Waffen, die zum Einsatz kommen, so präpariert, daß die nicht viel ausmachen. Massiv sind die Sachen keineswegs. Schläge werden nicht voll durchgezogen sondern nur so weit, damit es halbwegs glaubwürdig aussieht. Chops, also Handkantenschläge, sind überwiegend so real, wie sie aussehen. Ein Schlag mit der Handkante auf die Brust hat keine besondere Wirkung, bis auf gerötete Haut und ein gigantisches Klatschen, daß dem Zuschauer Härte signalisiert. An die Kehle aber schlägt keiner. Ein Vorschlaghammer (Triple H setzt den häufiger mal ein) hingegen hätte etliche Wrestler schon zu Krüppeln gemacht, würde er richtig eingesetzt werden. Die Kunst liegt dann darin, daß er den Hammer mit einer Hand vorne am Kopf schützend anfäßt, während der andere weiß, was kommt, und mit dem richtigen Timing hinfällt. Wrestling besteht ohnehin größtenteils aus abgestimmten Aktionen, für die man Erfahrung braucht, massive Erfahrung, und Körperbeherrschung. Stürze, Würfe, Sprünge, alles muß mit dem Körper richtig und für den Zuschauer möchlichst unauffällig oder glaubwürdig abgefangen werden. Obwohl man in den höchsten Ligen meist absolute Profis im Ring sieht, ist das trotzdem eine ziemlich große Belastung für den Körper. Speziell vor dem Hintergrund, daß die Wrestler der WWE ständig im Flugzeug sitzen und zig Veranstaltungen in der Woche haben. Deshalb gibt's einige Probleme mit Painkillern, also schmerzhemmenden Mitteln, weil manch Superstar trotz Verletzung antritt. Sei es, um seinen Lauf als Titelträger nicht zu verkürzen, seine steigendes Ansehen innerhalb der Firma nicht auf Eis zu legen oder die Zuschauer nicht zu enttäuschen. Eddie Guerrero ist indirekt später verstorben, weil er früher längere Zeit auf diese Schmerzmittel zurückgegriffen haben soll.
Der Ringboden ist zwar äußerst gut gefedert, doch das heißt noch nicht viel. Wer einmal falsch aufprallt hat schnell eine Prellung, verstaucht sich irgendwas, während das Match aber weiterläuft. Nur äußerst wenige Kämpfe werden unterbrochen oder gar abgebrochen, wegen solchen "Kleinigkeiten" erstrecht nicht, geht alles nahtlos weiter und am Ring erfährt fast keiner was davon. Die Sachen schleppen die Wrestler dann ständig auf Tour mit sich rum. The show must go on!
Also viele Moves sind schon äußerst gefährlich und richtig eingesetzt sind die äußerst schmerzhaft. Gibt sowas wie ein Vertrauensverhältnis im Ring. Während einer Meter in die Luft gestemmt wird, muß sich derjenige natürlich darauf verlassen können, daß sein "Gegner" das sauber ausführt, damit er selbst die Aktion sauber verkaufen kann und beim Aufprall richtig landet, sich abstützt. Manche Wrestler sind von Natur aus ein Sicherheitsrisiko, die ihre Gegenüber dann gefährden, weil sie, nun ja, schlecht sind. Dann kommt's schon vor, daß sich einer dafür revanchiert und seinen Gegner wiederum härter anfäßt oder bei ein paar Schlägen doch weiter durchzieht... Das sieht höchstens ein äußerst geschultes Auge, meist liest man später davon auf diversen Seiten.
Falls einer blutet, ist das in den meisten Fällen so gewollt. Kunstblut kommt eher weniger zum Einsatz, dafür schleppen einige dann kleine Rasierklingen unter irgendwelchen Polstern oder in der Hose mit sich rum, um nach einem Schlag am Boden liegend (während die Kamera galant auf den anderen umschenkt) sich kurz selbst zu ritzen. Bevorzugt an der Stirn. Hinterläßt keine großen Spuren und ein paar Tropfen genügen schon, damit sich das Blut durch den ganzen Schweiß richtig verteilt und martialisch aussieht. Ist ähnlich wie Öl und Wasser. Ric Flair scheint ein richtiger Fan davon zu sein, der alte Knacker - mit allem Respekt - sieht öfters aus wie ein abgestochenes Schwein. Seine weißen Haare färben sich ganz besonders schnell, die Wirkung ist enorm.
Wrestling ist so echt wie nötig und so unecht wie möglich. Klar, es gibt bestimmte Athleten, die sich regelrecht gerne durch Tische schmeißen lassen. Die haben 'ne eher hohe Schmerzgrenze und wissen, was sie da tun oder mit sich tun lassen. Zu sagen, Wrestling wäre eh nur Show, ist irgendwo falsch. Untrainiert steht man keinen Kampf durch und die Zuschauer würden einen aus der Halle buhen. Der Show-Anteil ist rund um den Ring im Gegensatz dazu ganz besonders hoch, das ist dann regelrecht 'ne Seifenoper. Dafür benötigen die Sportler schauspielerisches Talent. Nur wer richtiges Charisma am Mikrophon versprüht und im Ring ein Aß ist, kommt ganz nach oben. Gibt auch Ausnahmen, einige werden aufgrund ihrer Statur bevorzugt,. Einer der großartigsten überhaupt, "The Rock" Dwayne Johnson, macht seit etlichen Jahren deshalb in Hollywood Karriere.
Klar. Würden sich zwei Egomanen im Ring gegenüberstehen, von denen keiner verlieren will, müßten die sich sonst die Murmeln aus dem Beuteln prügeln... Es gibt feste Absprachen, wer den Kampf gewinnt und vor allem wie. Das entscheiden meist die Storywriter, nur ganz wenige Superstars haben ein Mitspracherecht auf den Ausgang des Kampfes. Ein Urgestein, der Undertaker, ist so einer. Es gibt 'ne Hackordnung in der Kabine und wer sein eigenes Süppchen brodelt, der ist schnell unten durch und wird fallen gelassen. Randy Orton baut ständig Mist, deshalb ist der häufig ziemlich weit vom Titel entfernt, obwohl man vom Potential riesige Stücke auf ihn hält. Gibt auch Lieblinge vom Boß, Vince. Die größten Teile eines Matches werden vorher einstudiert und abgesprochen, also der Verlauf ist vorher klar, außer es ändert sich kurzfristig was. Dann impovisieren die Wrestler, ähnlich bei versemmelten Aktionen oder in Zwischenabschnitten des Matches.
Bezieht sich eigentlich alles hauptsächlih aufs Pro Wrestling, in den Independent Ligen geht's etwas anders zu. Auch extremer und körperbetonter, aber riesig informiert bin ich auf dem Gebiet nicht.