Zugfahrten adé!

Katharina Pache

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In letzter Zeit kommt die Bahn aus den Schlagzeilen ja nicht mehr heraus. Streik hier, Streik da und wenn mal nicht gestreikt wird, dann hat man wenigstens ordentlich Verspätung.
Allerdings soll es ja Menschen geben, die auf den Zug als Fortbewegungsmittel angewiesen sind. Ich gehöre seit August ebenfalls zu diesem erlesenen Zirkel.
Zugfahren hat natürlich seine Vorteile: Man muss sich nicht auf die Fahrt konzentrieren, kann ein Nickerchen halten, zocken oder man lacht die Autofahrer im Stau aus. Nebenbei kann man sich umweltbewußt und verantwortungsvoll vorkommen.
Neben diesen nicht von der Hand zu weisenden Vorteilen gibt es auch ein paar klitzkleine Nachteile.
1. Der Fahrscheinautomat
Stellt euch vor, es ist morgens um 7. Der Zimmerboden zeigt deutliche Anzeichen von Bodenfrost und ihr wisst schon vor dem Blick aus dem Fenster, dass eine graue, kalte, verregnete Ausrede von einem Tag draußen auf euch wartet. Hat man sich aus den Federn und zum Bahnhof gequält, möchte man nur eines - schnell in den mehr oder weniger komfortablen Zug springen.
Da gibt es aber noch eine Sache, die zwischen euch und dem Zugabteil steht. Sie ist rot, mannshoch und aus Metall. Tückisch lehnt diese Ausgeburt der Hölle nach dem Zufallsprinzip Scheine oder Münzen ab. Ihr habt es eilig? Dann seid ihr hier an der falschen Adresse. Denkbar wäre es natürlich, dass die Hersteller der zornesrot lackierten Kästen mit dem Bahnhofs-Bäcker zusammenarbeiten. Nimmt das Kasterl den großen Schein nicht an, muss man ihn nämlich klein machen. Zum Glück ist der Bäcker gleich um die Ecke. Zufall? Absicht??
2. Die Zielfindung
Habt ihr trotz aller widrigen Umstände dem Automaten ein Ticket entrissen, solltet ihr den Weg zu den Gleisen einschlagen. Netterweise wird angezeigt, welcher Zug welches Gleis passiert. Sollte man meinen. Es empfiehlt sich, nochmals die Infobox am Gleis zu konsultieren. Gerne fahren Züge nämlich neckisch von einem ganz anderen Gleis - dafür aber 5 Minuten früher! Somit leistet die Bahn ihren Anteil zur nationalen Aufgabe, Deutschlands Einwohner wieder fitter und vor allem schneller im Kopf zu machen.
3. Der Zug
Da gibt es ganz unterschiedliche Ausführungen. Die "Bummelbahn" verkehrt zwischen Käffern, deren Namen man immer im Zusammenhang mit Onkel Hartmut und Tante Ilse hört. Meist ist in der näheren Umgebung solcher Haltestellen kein Anzeichen menschlicher Besiedlung zu finden. Dementsprechend karg ist auch die Einrichtung des Zugabteils gehalten. Fenster lassen sich im Regelfall nicht öffnen. Ausnahme: es ist Winter, dann lassen sie sich nicht schließen.
Das Polster ist durchgesessen aber trotzdem nicht bequem. Unter den Sitzen kann man mit den Fingern beeindruckende Kaugummi-Stalaktiten-Formationen erfühlen. Eigenständiges Leben hat sich im Laufe der Zeit am Boden des Müllbehälters gebildet. Es gilt: bei knurrenden Mülleimern lieber das Taschentuch in die Hose stecken.
Doch es gibt auch modernere Fortbewegungsmittel im Fuhrpark der Bahn. Die doppelstöckigen Züge, die zwischen Bamberg und Nürnberg fahren, zum Beispiel. Die sind sogar voll klimatisiert - was uns jeden Tag aufs neue bewiesen wird, auch wenn draußen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt herrschen. Sehr zukunftsweisend: die Zugabteiltüren, die elegant auf Knopfdruck aufgleiten. Oder wenn der Zug über eine holprige Strecke fährt. Oder wenn die alte Frau zum fünften mal aufs Klo geht. Oder wenn die kleinen Kinder zwischen den Zügen fangen spielen...
4. Die Menschen
Dazu kann die Bahn nichts. Aber bei einem so häufig und von jedermann frequentierten Fortbewegungsmittel wie der Bahn fährt eben Gott und die Welt mit. Oder Leute, die sich für eines der beiden halten. Ein interessantes psychologisches Phänomen lässt sich beobachten, wenn der Schaffner den nächsten Halt ansagt. Auch wenn die Station noch eine Viertelstunde entfernt ist - sofort erheben sich die Zuggäste mit gehetztem Blick und der Angst, nicht aus dem Zug heraus zu kommen. Eine surreale Furcht grassiert unter ihnen, ausgelöst von einer banalen Lausprecheransage. Ich stelle mir jedesmal die Frage, was mit der Herde passiert, wenn der Schaffner das nächste Ziel ankündigt, mit den Worten "..aber beeilen Sie sich, unser Zug hält lediglich 20 Sekunden und nur die schnellsten kommen raus! Vielen Dank!".
Fazit: Man kann ja viel meckern über die Bahn. Für eines jedoch bin ich ihr dankbar: Sie hat mich treu und (manchmal) pünktlich zu meiner Lieblingsarbeitsstelle gebracht - nämlich nach Fürth zur Games Aktuell Redaktion *zwinker*
In Zukunft werde ich wohl seltener das Vergnügen haben, Zug zu fahren, da ich bald eine Wohnung in den hiesigen Gefilden beziehen werde. Die perfekte Gelegenheit, um meine Schiebetüren-Phobie unter Kontrolle zu kriegen..

Ein gutes Nächtle wünscht Katha :-)
 
So, da ich selber Bahn fahre und meine Nickerchen dort halte^^ musste ich den Blog lesen.

Die Nachteile habe ich auch schon alle erlebt :-(

Unser Fahrscheinautomat nimmt auch nie mein Geld an und wie es der Zufall so will, ist daneben auch ein Bäcker :-)

Tolle Arbeit.

LG

Biohazard
 
super geschrieben. hut ab davor.
das oder andere schmuzlen hat sich auch auf lippen gestohlen
war auch lange auf fortbewegungsmittel bahn angewiesen und kann leider sagen dass du mit allen nachteilen recht hast.
 
da kann ich in gewissen Dingen nur zustimmen.

Du hast einen klasse "Blog" verfasst, mit dem sich viele andere Bahnnutzer identizifieren können.

Locker, leicht und auch ein wenig ironisch. So sollte ein "Blog" sein. Freue mich auf weitere schöne Geschichten.

Gruß v. "alter" Mann
(Let the good times roll)
 
Zumindest bei mir. Da kann man eigentlich nur noch mit dem Kopf schütteln. Donnerstag und Freitag letzte Woche war ja Streik. Glücklicherweise war meine Verbindung Würzburg-Fürth und zurück Teil des Ersatzfahrplans. Und ich muss leider sagen, dass die Fahrerei nie so entspannt war wie an diesen beiden Tagen. Zug nicht voller als sonst und jeweils fünf Minuten überpünktlich am Zielort. Sachen gibt's...
 
...deine Geschichte xD
zumal auch wir gerade umgezogen sind und ich jetzt immer mim zug zu meiner alten schule muss...
das einzige was du nicht erwähnt hast sind die tollen fahrpläne, denn ich muss jetzt ne stunde früher aufstehen als vorher...

die klischees mit automaten die kein geld annehmen und den bäckern um die ecke hab ich jetzt auch erfahren müssen
 
Verspätung? Was ist das? Streik? Was ist das? Ausgessene Sessel? Das kenn ich...
Im Ernst: Hier in Österreich gibt's so gut wie keine Verspätungen, Streiks. Aber bei dem Rest ist es ganz genau das gleiche, nun ja vielleicht fahren ja die Züge vom korrekten Bahngleis ab...
Aber eins muss ich sagen: Ich muss jeden Tag mit dem Zug zur Schule fahren, genau wie 250 andere Schüler... Da is einen Sitzplatz finden kein Glück mehr, sondern Wohnortssache...
Aber netter Blog, und zum schmunzeln hats auch eingeladen...
 
Super Blog. Hast nen super Schreibstil. Hat mir echt gut gefallen. Das einzige was mir fehlt ist ein Bild von dem höllischen Roten Fahrscheinautomat :-).

Wenn ich sowat lese bin ich echt froh in nem Land zu wohnen in dem man in 30 Minuten mit dem Auto von einer Grenze zur anderen kommt und zum Glück auf den Zug pfeifen kann.
 
;) willkommen im club des leidgeprüften bahnfahrervolkes.
jo,bei der bahn kann man was erleben.
fahre über viele jahre selbst mit der bahn,täglich über 250 km.
meistens mit dem ic aber hin und wieder auch mit der rb.
und beim streik ??? mit meinem auto :(
trotz im voraus bezahlter jahreskarte,kein anspruch auf schadenersatz.......bitter,bitter.

dein blog hat mir gefallen.
5 sterne :)
 
Ich kenn das zwar nicht so, da in der Schweiz die Bahn, wenn man den Deutschen Bürgern die hier sind glauben darf, besser organisiert ist. Klar bei uns gibt es auch Verspätungen die halten sich aber in den meisten Fällen so um 10 bis 15 Min. Wobei dann bei uns schon die Hölle los ist.
Aber muss auch sagen, ist sehr gut geschrieben. Unterhaltsam und wurde animiert, den Blog zuende zu lesen.
 
Wirklich gut und auch zutreffend geschrieben, so ging es mir auch schon oft mit der geliebten/verhassten Bahn, nur leider werde ich sie jetzt wohl öfter wieder nützen müssen, weil ich mich schlauerweise mit 18 entschieden habe meine Wirtschaftsschule nachzuholen :-)

wie dem auch sei

good work

Gruß

Matthias
 
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