@Wertungsdiskussion
Der wesentliche Grund, warum ich persönlich nicht mit Zahlen werte, ist die Unmöglichkeit des perfekten Systems. Daraus folgend hat meine Ablehnung stark ideologischen und vielleicht auch politischen Charakter: Ich akzeptier nämlich nicht, wie technologisiert, rationalisiert und banalisiert all die lebenden Toten auf der Welt Kunst und Kultur betrachten und für ihre Zwecke missbrauchen. Das einzige System zur Bewertung und Auseinandersetzung ist für mich das System der Sprache, da es -trotz seiner Unvollkommenheit- so komplex ist, dass es dem Diskurs erlaubt, sich selbst zu hinterfragen und immer neu zu definieren, quasi seine eigene Unvollkommenheit zur Schau zu stellen. Kunst handelt von Unvollkommenheit. Das unterscheidet sie von der Technik und dementsprechend sollte man sie auch nicht technisch bewerten.
Mal ab von diesem hochtrabendem Gequatsche ist es wahrscheinlich mein unendlich desillusionierter und zynischer wie verärgerter Blick darauf, wie die meisten das Zahlensystem verwenden. Belustigend ist dabei vor allem die Note 10. Oh Mann. Da ist einerseits dieser objektive Gedanke, dass es dabei technisch erschließbare Kriterien gibt, die diese Note voraussetzen und nur den gaaanz großen, großen biblischen Wundern und Meisterwerken erreichbar machen. Jeder will den Kritiker mimen und merkt nicht, dass er entweder nachlabert oder sich toll fühlt, weil er's mal anders sieht. U.a. folgt aus dem Ganzen auch oft die arrogante Haltung, das Kunstwerk muss sich den Weg zu mir bahnen und nicht etwa die Einsicht, ich muss selbst mal meinen Zugang finden. Folglich ergibt das meistens eine völlig leere Pseudoprofessionalität und Selbstgefälligkeit.
Andererseits beteuert man, alles ist subjektiv. Das passt meist nicht, da man seine subjektiven Kriterien so absolutistisch als Teil einer logisch erschließbaren Ordnung darstellt, dass es bloß lächerlich wirkt. Man könnte Zahlen gut benutzen, wenn man sie nicht zu ernst nimmt. Wer aber wirklich ernsthaft meint, die Note 10 soll in hundert Jahren Filmgeschichte bloß 30 oder 20 oder -kaputtlol- 10 Filmen vorbehalten bleiben, dem sag ich bei allem Respekt, sein System ist lächerlich und funktioniert nicht.
Ganz einfach deswegen, da, völlig egal um welche kleine erlesene Auswahl es sich handelt, diese Auswahl einfach lächerlich wirken muss. Jeder wahre Filmliebhaber muss sich sehr zusammenreißen, um eine top ten oder auch eine top 50 aufzustellen. Wenn man die Filme in der erlesenen Auswahl objektiv -und Zahlen sind nichts anderes- von dem Rest der langen, reichen Filmgeschichte abgrenzt, werden sie automatisch erdrückt und sind mikroskopisch klein.
Beispiel: Forrest Gump würde von mir -mit viel gutem Willen- vielleicht ne 5/10 bekommen, weil ich den schrecklich finde. So beliebte Filme wie "Die üblichen Verdächtigen", "American Beauty" und andere würden niemals über ne 7 hinauskommen. Jeder Sergio Leone-Film ab "Für ein paar Dollar mehr" hingegen würde whrs. ne 10 bekommen, jede Scorsese/De Niro-Kollaboration ab "Mean Streets" bis "GoodFellas", insgesamt sechs an der Zahl, whrs. auch. Für mich sind das Filme, die mir viel zu tief im Herzen verankert sind, als dass irgendne pseudoprofessionelle Kritik, die ihnen den "Meisterwerk"-Status absprechen will, für mich nicht zum Totlachen schlecht wäre.
Keiner muss das objektiv nachvollziehen können. Aber ich kann das begründen, meine subjektive Sicht in dem objektiv verwendbaren und komplexen System der Sprache.
Was ich sagen will: Wenn Zahlen bloß als unbedeutende Indikatoren für die persönliche Sichtweise verwendet werden, können sie Sinn machen, genau so viel bzw. wenig Sinn, wie sie auch für sich beanspruchen. Gibt man dem Zahlensystem aber eine so definierende Bedeutung a la " Nur Zehn Filme können die magische Note 10 erhalten " so zweckentfremdet und pervertiert man dieses System ebenso wie das ganze Cineastentum.
Sorry für die direkten Worte, ich will keinem zu Nahe treten. Wenn meine Ansicht aber leicht radikal ist, bedarf sie auch einer radikalen Formulierung. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich euch wegen eurer Interpretation von einem "Cineasten" nicht respektiere, ich will nur sagen, dass sie meiner diametral entgegengesetzt ist.