Sand-Rant: The Sandman Volume 2 – The Doll’s House

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StHubi

Gast

Anna, eine sehr gute Freundin von mir, hat in ihrem Studium vor kurzem einige klassische Comics gelesen und Analysen dazu verfasst. Sie hat mir sehr begeistert von The Sandman erzählt, bei dem gerade der zweite Band als absolutes Meisterwerk der Comic-Kunst gilt. Da ich auch sehr gerne Comics lese und von The Sandman bisher nur gutes gehört habe, habe ich mir mal die drei ersten Bände in Englisch bestellt und angefangen zu lesen. Band 1 fand ich okay, aber nach Band 2 musste ich dann doch mal ein wenig Luft ablassen…Der folgende Rant enthält größere und kleinere Spoiler.

Wer den Comic noch lesen will, sollte also den Browser schließen!



Der zweite Band hat mich leider nicht im geringsten begeistert – Da war irgendwie
Sand im Getriebe! Eher hat er mich streckenweise gelangweilt, wenn seitenweise Exposition erörtert wurde, von der ich am Ende des Bandes noch nicht mal richtig verstanden habe, wie sie überhaupt relevant war - Die Prolog-Geschichte über die in Sandman verliebten Prinzessin spielte nicht die geringste Rolle, oder hat da jemand eine andere Interpretation?


Dazu kamen noch Panel-Layouts aus der Hölle – ich hasse es Comics hochkant zu lesen. Richtig unverschämt finde ich es, wenn dann auch noch teilweise der Text in der normalen Orientierung darinsteht oder sich innerhalbeiner Seite die Orientierung ändert. Das finde ich einfach unangenehm und es ist auch vollkommen überflüssig. Dann noch seitenübergreifende Panels, die man aufgrund des Tradepaperbacks nicht so leicht als solche erkennt und manchmal auch so kaum erkennen kann. Selten habe ich so verwirrt einige dieser Seiten gelesen wie in diesem Comic.

Dann hatte ich große Probleme die Personen voneinander zu unterscheiden. Beispielsweise waren Hal und Rose in einem Panel am Fuß einer Treppe und dann quasi als Spiegelbild Ken und Barbie vor dem gleichen Hintergrund. Im ersten Moment dachte ich, die beiden wären einfach geisteskrank geworden und hätten angefangen als andere zu sprechen bis mir klar wurde, dass das andere Personen sind – sie werden ja auch erst in einem Bild darunter als solche vorgestellt. Wo dann die beiden Gothic-Frauen in dem Haus stehen sollten, die plötzlich sprechen, war mir auch nicht klar. Generell habe ich immer wieder Probleme gehabt den Aufbau eines Handlungsortes zu verstehen.

Immer wieder habe ich mich gefragt, wo diese unnötig verworren erzählte Geschichte eigentlich hinwollte. Als sie dann im Hotel mit dieser Psychokiller-Convention ankamen, wusste ich es: Es ging in die 90s! Die „Boah, wir sind so was von dunkel!“ Comic-90s. Ich hatte anfangs auch keine Ahnung, was dieser aus dem Traumreich entflohene Corinthian außer einem bloßen Alptraum genau darstellen sollte. Das wurde ja auch erst viel später geklärt.

Selbst wichtige Dinge wie der Traum-Nexus wurden quasi Last Minute eingeführt und eine Seite zuvor wird erklärt, was der Sandman üblicherweise damit macht, nur damit es eine Seite später wieder anders gelöst wird?!? So fand ich das einfach nicht spannend. Wäre dies viel früher klargewesen, was einem Nexus für ein Schicksal droht und angedeutet worden, was Rose ist, wäre dies viel effektiver gewesen. So musste ich mich die letzten Seiten echt zwingen, nicht einfach aufzuhören.

Da kam bei mir auch der Eindruck auf, dass die Fähigkeiten des Sandman ziemlich ungenau definiert sind und seine Aufgaben und Regeln immer wieder vom Autor ergänzt werden können. Die Figur ist quasi eine Deus Ex Machina produzierende Entität… So was verdirbt mir die Spannung, weil ich ab diesem Band einfach damit rechnen kann, dass eine neue Regel oder Abmachung auftauchen wird, die das ganze schon irgendwie löst - Wir kennen ja nicht alle seine Regeln oder Kräfte. Das mag kreativ sein, aber das ist für mich nicht wirklich spannend.

Immerhin scheint der Autor sich ja wirklich was dabei gedacht zu haben, als er die Comics des ersten und nun dieses Bandes geschrieben hat. Die Ereignisse hängen schon irgendwie zusammen (bis auf einige Nebengeschichten natürlich). Allerdings fand ich es schon übertrieben, dass Rose anscheinend mit der von Dr. Destiny ermordeten, jungen Frau im Diner Kontakt hatte – so viel Rückbezug braucht es dann auch nicht.

Die einzige Story, die mir in dem Band gefallen hat, war das alle 100 Jahre Treffen von Sandman mit seinem Freund, der nicht stirbt, bis er es wirklich will. Die Idee fand ich interessant und die Anspielung auf Shakespeare fand ich sehr gelungen, aber das Ganze hat zumindest in diesem Band fast keine Rolle gespielt. Schade eigentlich…

Sorry, dass ich euch so zutexte, aber irgendwie kann ich die allgemeine Begeisterung über diesen Band, die mir fast überall entgegenkommt, nicht verstehen. Der Band hat mich absolut unbeeindruckt zurückgelassen und ich würde ihn sogar als weniger unterhaltsam als den ersten Band einordnen, der wenigstens ein nachvollziehbares Ziel hatte. Vielleicht bin ich auch einfach ein alter, verbitterter Comic-Leser, der mit den 90s einfach nichts mehr in Comicform zu tun haben will. Das war eine wirklich düstere Periode und so viele Dinge, die damals als „erwachsen“ oder „cool“ galten, gehen mir heute einfach nur noch auf die Nerven bzw. sind in meinen Augen einfach nur Effekthascherei und das ist in meinen Augen eben nicht mehr „erwachsen“. Das lässt sich für mich auch 1:1 auf diverse Spiele übertragen, die aufgrund von extremer Gewaltdarstellung eine höhere USK-Einstufung erhalten haben. Das ist einfach nur Effekthascherei. Leider sind einige Story-Entwicklungen aus den 90ern bis heute in den Comics verwurzelt... Fragt mich bloß nicht, was ich vom Arkham Knight Batman halte!

Ich danke Anna trotz meiner Enttäuschung für die Empfehlung. Es handelt sich laut Wikipedia und vielen anderen Quellen trotz meiner Abneigung um ein anerkanntes, ausgezeichnetes Meisterwerk. Es ist aber wohl nicht meines.

Sandman Band 3 „Dream Country“ liegt hier neben mir und ist dann wohl als nächstes dran…
 
Wie du schon geschrieben hast, wird es als Meisterwerk angesehen. Es ist mir untergekommen als ich mit meiner Gruppe eine Arbeit über Graphic Novels verfassen musste. Habe es allerdings nie gelesen. Als mein persönliches Projekt hatte ich "Im Land der verlorenen Erinnerung". Es klang laut der Beschreibung sehr gut, aber ich war nach dem einmaligen Lesen doch etwas enttäuscht. Im Nachhinein muss ich aber sagen, dass es toll ist. Nicht weil ich meinen Geschmack geändert habe sondern, weil jeder das einmal gelesen hatte und sich darauf, über eine längere Zeit, einige Debatten über die Deutung der einzelnen Bilder/Anordnungen/Texte ergeben haben. Wenn jemand Neues es gelesen hatte, brachte dieser wieder neue Gedankengänge mit hinein und die Unterhaltungen entfachten erneut.

Kurzum, auch weil ich nicht deinen ganzen Text wegen Spoilergefahr gelesen habe, vlt. hast du mittlerweile eine andere Sicht auf den Band? Manchmal entfaltet sich die Magie erst im nachhinein oder durch Gespräche über das Buch.
 
Hawkfire;bt18739 schrieb:
Kurzum, auch weil ich nicht deinen ganzen Text wegen Spoilergefahr gelesen habe, vlt. hast du mittlerweile eine andere Sicht auf den Band? Manchmal entfaltet sich die Magie erst im nachhinein oder durch Gespräche über das Buch.
Leider ist da bisher nicht viel passiert. Ich habe nur mit meiner Bekannten ein wenig über den Band gesprochen. Dabei ist nicht gerade viel von der Faszination auf mich übergesprungen. Vielleicht sollte ich anmerken, dass ich EXTREM viele Comics im Laufe meines Lebens gelesen habe und daher einige Kniffe und Kunstgriffe bereits kenne. Die waren damals vielleicht noch nicht so präsent oder Standard, wie sie es heute sind. Sie hat dagegen nur ein paar einzelne Bände gelesen und für sie ist das vielleicht noch alles etwas neuartiger bzw. innovativer... Aber Geschmack ist ja manchmal auch einfach nur verschieden.
 
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