Schublade auf; gut reingepasst

RoninXM

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Ja, ich gebe es zu! Verurteilt mich! Ich bin ein Casual-Gamer! Und nein, es ist mir nicht peinlich.

Eine Runde Singstar lockert jede Party auf. Und Sport Champions macht Spaß.

Doch halt: wenn ich die Hülle aus dem Regal ziehe, stehen direkt daneben Dark Souls und MaxPayne 3. Bin ich etwa doch ein Core-Gamer?
Was nicht passt, wird passend gemacht

Sind wir doch ehrlich. Schubladendenken erleichtert uns das Leben doch enorm. Basecap und Schlackerhosen? Hip-Hopper! Grüne Haare? Linksalternativer! BMW-Fahrer? Proll! Typisch Deutsch aus USA-Sicht? Lederhosen und Bratwurst! Du spielst Wii-Sports? Casual-Gamer!

Aber ist es wirklich so einfach? Der Mensch ist auf Ordnung bedacht. Jede Pflanzen- und Tierart wird genau katalogisiert. Für chemische Element haben wir ein Periodensystem.Die Rechtschreibung ist exakt geregelt.
Schublade auf, gut reingepasst.
Alles was nicht genau definiert ist, sorgt für Chaos in unserem Ordnungsparadies.

Seitdem das Spielen gesellschaftsfähig geworden ist und an jeder Ecke, ob nun Smartphones oder Facebook, Spiele angeboten werden, brauchte man etwas, um die "neuen" Gelegegenheitsspieler von den "alteingesessenen" Gamern zu trennen. Die Schubladen Core und Casual waren geboren.
"Früher war alles besser"?

Wir befinden uns Ende der 80er Jahre. Spiele waren ein Nischenmedium. Die wenigsten hatten eine Konsole oder einen PC zuhause. Spielhallen waren das ElDorado für Zocker.

Aber natürlich waren die Automaten nicht primär dafür da, für gute Laune zu sorgen, sondern um den Herstellern unser sauer erspartes Taschengeld in die Taschen zu spülen.
Dem entsprechen waren die Spiele designed: bockschwer. An manchen Automaten brauchte man dutzende Versuche, um auch nur den 1. Level zuschaffen. Allerdings gab es einen Kniff, um uns zu motivieren: die Highscoreliste. Einmal ganz oben stehen, besser sein, als alle Kumpels im Freundeskreis!

Als die Heimkonsolen die Wohnzimmer eroberten, waren der Einfachheit halber viele Spiele Portierungen von Arcade-Automaten. Der Schwierigkeitsgrad meist enorm hoch. Wer R-Type durchspielen wollte, musste jede Stage im Schlaf beherrschen. Musste in Battletoads jeden Gegnerspawnpunkt auf dem FF kennen.
Natürlich war keines der Spiele wirklich lang. Bei einem perfekten Run meist nicht einmal eine Stunde. Allerdings musste man sich das können dazu aneignen und auf diesem Weg 1000 Tode sterben. Doch wer einmal die Credits aufflimmern sah, der wusste, man ist wer! Man hatte es geschafft! Der Neid der Freunde war einem gewiss.

Ein Spieler in dieser Zeit war wahrhaft "Core".
Mal schnell ne Runde Stress abbauen

Es ist 2013. Ich war die ganze Woche am schuften und nun am Wochenende ist das Wetter draußen echt bescheiden. Dann eben gemütlich zocken! Ich starte den Ego-Shooter "Medal of Duty: Battlefield 8". Es folgt der Schwierigkeitsauswahl-Bildschirm.

"Leicht ? Sie haben solche Art von Spielen noch nie gespielt und möchten sich eingewöhnen". Im Kopf übersetze ich mir diese Aussage "Sie sind eine Pussy".
Also auf "Normal" gedrückt, weil ich mir denke, dass ist das Spielerlebnis, was die Entwickler als Optimal empfinden. Nach ca. 5 Stunden flimmert der Abspann über den Schirm und hinterlässt mich mit einem komischen Gefühl auf der Couch. Ja, es hat Spaß gemacht und die eine oder andere Stelle war ein bisschen kniffelig, aber nirgends hing ich ewig fest. Also doch lieber "Schwer" versuchen?

War das nun Core oder Casual? Wie teilt man das ein?
Alles eine Frage der Definition

Wo endet Casual, wo beginnt Core? Was ist Core? Wenn man Spieler XY fragt, was man als Corespiel versteht, erhält man folgende Antworten.
Es ist schwer

Ein sehr subjektiver Punkt. Was für den einen leicht ist, ist für den anderen schwer und umgekehrt. Außerdem machen variable Schwierigkeitsgrade diesen Punkt sehr schwammig.
Mass Effect 3 im Action-Modus ist ein harter Brocken, während der RPG-Mode locker durchflutscht.
Einen Golfball in Wii-Sports richtig zu schlagen kann schwieriger sein, als so mancher Shooter.

Auch ändert sich das empfinden für "Schwer". Wir sind heutzutage mit regenerativer Gesundheit, Quicksave und unendlich Leben verwöhnt. Versagen wird nicht bestraft. Das macht das Scheitern weniger tragisch. Wenn dann ein Spiel wie Dark Souls auftaucht wird dies als extrem schwer empfunden.
Allerdings: Dark Souls ist fair. Aber es ist anspruchsvoll und verlangt ein Umdenken. Umsicht schützt vor Scheitern. Es ist vielleicht einiger der wenigen unanfechtbaren Core-Titel.
Man braucht Skills, um es zu meistern

Grundsätzlich, je schneller man in ein Spielprinzip einsteigt, umso leichter wird es. Fingerfertigkeit an Controller/Keyboard+Maus erleichtert einem das (Spieler-)Leben.
Aber definiert das "Core"? Meine Freundin spielt fast nie Spiele. Sogar so selten, dass ihr schon nach 10min Controller-halten die Finger weh tun. Trotzdem habe ich mit ihr zusammen Rayman Origins durchgespielt. Und einige Levels sind echt so anspruchsvoll (wer das Spiel kennt, die Levels in denen man die roten Zähne sammelt), dass man sich erst nach mehrmaligen Scheitern die Laufwege und Sprungpunkte so eingeprägt hat, dass man es schafft. Macht sie dieser Umstand nun zur Coregamerin? Oder ist Rayman Origins ein Casual-Game, bei dem sogar Core-Gamer scheitern können?

Die Spielzeit

Wer viel spielt ist Core, wer ab und zu mit Freunden die Wii anwirft ist Casual. So die Aussage. Ist das wirklich so? Wohl eher nicht. Viele von uns kommen von Arbeit und setzen sich dann noch eine Stunde zur Entspannung vor ihr Lieblingsgame. Manch andere spielen tagtäglich 4 Stunden Sims oder AngryBirds. Wer ist nun mehr Casual, mehr Core? Die reine Zeit, die man aufbringt sagt nichts aus.
Der Gewaltgrad / Die Optik

Nintendo, bunte SD-Grafik und USK12 ist Casual. Full-HD und bluttriefendes USK18 ist Core. Soweit die Meinung.
Als Beispiel: Darksiders 2 wurde vielfach in Medien als "Zelda für Erwachsene" bezeichnet. Aber macht der höhere Gewaltgrad und die düstere (HD-)Optik das Spiel komplexer als Zelda? Oder ist ein Call of Duty:Black Ops2 anspruchsvoller als Final Fantasy 7?
Werden Zelda und FF jetzt dadurch zu Casual?
Natürlich werden brutalere Spiele nicht unbedingt als Partykracher für die ganze Familie gekauft, aber die Präsentation allein sagt nichts über die Komplexität aus.
Und nun?

Abschließend lässt sich wohl sagen, dass der Schrank "Spielertyp" wohl eher ein Gefäß ist, in dem sich die Schubladen "Casual/Core" als Flüssigkeiten in der Mitte vermischen und ineinander fließen.

Entwickler geben uns heutzutage die Möglichkeit, auch als ungeübter Spieler ein Game zu meistern. Und das ist auch richtig so. Denn auch Menschen, die mit dem Medium Videospiele noch nicht vertraut sind, müssen die Möglichkeit haben, sich vom Anfänger zum geübten Spieler entwickeln zu können.
Auch lassen sich Gamer selbst nicht so leicht in eine Schublade stecken. In einem Moment spielt man noch eine Runde Dark Souls und am selben Abend trifft man sich mit Freunden zu einer geselligen Runde Sport Champions. Man perfektioniert seine Skills in Dragon Age und die Mittagspause überbrückt man mit Angry Birds.
Wenn man eine Runde nur zum Spaß ZooTycoon 2 spielt ist man Casual. Spielt man es so weit, dass man einen gigantischen Zoo mit maximalem Gewinnmanagement und perfekten Betriebsablauf hat, dann ist man Core.

Wer von euch kann behaupten, wirklich nur bockschwere, saukomplexe, brutal fordernde Spiele zu zocken? Ich nicht.

Ich bin Casual. Ich bin Core.
 
Der Blog ist gut geschrieben und dein Plädoyer für Toleranz kommt sehr gut rüber. Das Thema ist in meinen Augen vielleicht nicht mehr das aktuellste, aber der Blog liest sich dennoch sehr angenehm und nachvollziehbar. Mir ist auch irgendwann aufgefallen, dass in meiner Spiele-Liste einige sehr "casualige" Titel stecken, obwohl ich seit den 80er Jahren Spiele spiele und der Begriff damals noch gar nicht existierte. Eine wirklich saubere Abgrenzung wird es wohl nie geben, außer eben den Versuch die Leute in Schubladen aufzuteilen... ;)
 
Danke für deinen Kommentar! Auch wenn das Thema vor 1-2 Jahren noch stärker vertreten war, ist es immernoch aktuell. Auch die Medien versuchen immernoch, Spiele in diese Lager aufzuteilen.

Dies wird allerdings heutzutage immer schwieriger, da manche Games ja sogar mehrere Genregrenzen durchbrechen.
 
Ich kann nur unterstreichen was du da schreibst. Schubladendenken ist heute immernoch so aktuell wie vor ein paar Jahren und ich halte es für Schwachsinn nur weil man mal ein Casual-Game spielt (was doch ehrlich jeder gerne einmal macht) von den selbsternannten Core-Gamern als Casual-Gamer abgestempelt wird.
 
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