Verräter! Story-Element für Anfänger aus der Autoren-Schule

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StHubi

Gast
ACHTUNG: In diesem Blog werden einige Story Elemente aus Bioshock, Tomb Raider, Might & Magic X - Legacy, Bravely Default, Metro ? Last Light, The Legend of Zelda ? A Link Between Worlds und Castlevania ? Lords of Shadows angesprochen. Falls ihr noch vorhabt, einen dieser Titel zum ersten Mal durch zu spielen, rate ich euch diesen Blog und auch die Kommentare dazu nicht zu lesen. Gebt mir aber keine Schuld, wenn ihr sie nach dem Lesen noch spielen wollt! Ich habe euch gewarnt?

In den letzten Monaten habe ich einige Spiele durch gespielt. Jedes Spiel hatte ein eigenes Setting und eine eigene Story. Doch leider hatten viele von ihnen etwas sehr zentrales gemeinsam: Einen Plot-Twist, den ich nur ungern als solchen bezeichnen will. Es geht um die inzwischen absolut stereotypische und standardmäßige Wendung Dein bester Freund ist der Feind/Verräter/Gegner/Schwippschwager/Friseur deiner Oma/etc.!!! An dieser Stelle denkt ihr euch am besten noch einen dramatischen Tusch für die richtige Atmosphäre? Inzwischen entlockt mir dieser Twist nur noch einen Wah-Wah-Wah-Tusch wie im Zeichentrickfilm und kurz darauf einen kleinen Wutanfall darüber wie einfallslos wieder einmal eine Story geschrieben wurde.

Seit einiger Zeit scheint es fast zum Standard zu gehören, dass irgendjemand die Spielfigur hintergeht/verkauft/verrät/belügt oder sonst wie schlecht behandelt. Das ist natürlich für Feinde absolut normal, aber was muss falsch laufen, damit das ständig bei besten Freunden und Vertrauten passiert? Die Antwort lautet: Sobald man eine Spielwelt betritt, ist das Standard!

Wenn es dann auch noch extrem schlecht und überstürzt erscheint, bleibt mir aber auch nur eine Schlussfolgerung: Spiele-Autoren sind echte Anfänger in ihrem Job. Da wäre beispielsweise Metro ? Last Light. Gerade noch habe ich mit meinem Kumpel, einem von mir befreiten Gefangenen, bösartige Mutanten erschossen und ihn sicher nach Hause gebracht, als er mich ohne zu zögern betäubt und mich wegtragen lässt. So etwas nenne ich absolut mies geschrieben und so billig, dass man es auch gleich hätte sein lassen können.

Dann gibt es auch noch den unangekündigten Verrat. In Castlevania ? Lords of Shadow wird man das ganze Spiel über von einem anderen Ritter des eigenen Ordens begleitet. Am Ende stellt sich heraus, dass er dem Bösen gedient hat und nur wollte, dass man die Artefakte für ihn sammelt. Dass er dann auch noch der Erzähler der Geschichte in den Zwischensequenzen war, gibt einem erst recht den Eindruck eines spontan eingeworfenen Twists ? hat man sich in die (langweilige) Ecke geschrieben, erscheint eine Figur und macht mit einer 180 Grad-Drehung alles anders, was man für gegeben hielt. Das wirkt einfallslos und ziemlich unmotiviert umgesetzt.
Genauso umgesetzt und ebenfalls albern ist der total irrelevante Verräter am Ende des Spiels The Legend of Zelda ? A Link Between Worlds. Hier offenbart die "zweite Prinzessin", dass sie in Wirklichkeit nur das Wohl ihres eigenen Reiches im Sinn hatte. Unglaublich! Einen Endgegner-Kampf später, so wie in Castlevania, ist das Spiel dann auch schon vorbei. So was von überflüssig?

Bravely Default hat dagegen fast das gleiche gemacht, aber es wirkte eben nicht wie ein billiges Twists sondern wie ein lang angelegtes Story Element. Immer wieder fragen sich die Charaktere, wieso sie ihre Aufgabe so gezielt verfolgen, und warum das eine Gruppenmitglied (=Verräter) trotz aller Rückschläge und Aussichtslosigkeit auf die Wiederholung der Vorgehensweise drängt? Sie fragen sich, ob nicht mehr dahinter steckt und tatsächlich: MEHRERE Stunden vor Spielende erfährt man, dass sie ein anderes Ziel verfolgt. Was das genau ist, bleibt noch unbekannt, aber es wird klar, dass da mehr dahinter steckt. Im Endeffekt ist das der gleiche, langweilige Plot-Twist, aber er ist wenigstens gut und etwas interessanter umgesetzt worden. Aus einigen Komplettlösungen habe ich dann sogar erfahren, dass es einen zweiten Lösungsweg gibt. Ab diesem Punkt kann man nämlich die Arbeit des Verräters sabotieren. Chapeau, Bravely Default!

Might and Magic X ? Legacy versucht das gleiche: Ein netter, ehemaliger Abenteurer führt die Gruppe durch die Start-Stadt und entpuppt sich im Laufe des Spiels als "der Feind". Doch die Story dieses Spiels ist so nebensächlich, dass dieser billige Versuch einer Story auch nicht mehr wirklich ins Gewicht fällt. Es ist nur ein weiteres, trauriges Beispiel für einfallslose Geschichten in Games?

Kommt dieser billige Twist dann auch nicht allein, tut das fast schon weh. Beispielsweise besteht die Crew aus dem letzten Tomb Raider von vorne bis hinten aus Stereotypen wie die beste Freundin, die Mutter der Gruppe, der Vaterfigur, dem extrem nerdigen Hacker und natürlich dem unsympathischen Verräter (da war noch jemand, vermutlich das nicht erinnerungswürdige Kanonenfutter). Wenigstens wurde hier gar nicht erst versucht einen vertrauenswürdigen Charakter zu generieren. Der hier war von Anfang an verdächtig.

Das erste Spiel, das mir wegen eines "Verräters" im Gedächtnis blieb, war Bioshock. Ungefähr nach der Hälfte des Spiels erfährt man, dass man die ganze Zeit manipuliert wurde von jemandem, dem man eigentlich getraut hat. Aber war das so übel? Eigentlich nicht? Denn auch dieser Verrat wurde lange vorbereitet und es gab einige Anzeichen, dass das so sein könnte. Damals war dieser Plot-Twist vielleicht auch noch nicht so ausgelutscht wie heute?

Kennt ihr noch weitere Spiele mit dieser "überraschenden Wendung"? Was haltet ihr von Verrat in Videospielen als zentralem Punkt in der Handlung? Ist das heute noch vertretbar oder seht ihr das ähnlich wie ich?
 
Musste auch zuerst an BioShock denken, wo es für mich aber ein absoluter WTF-Moment war.
Ebenso bei Assassin´s Creed habe ich erst sehr spät mit diesem Twist gerechnet, in beiden Spielen war er meiner Meinung nach recht gut und überraschend aufgebaut.
Aber wahrscheinlich war es damals, vor über 5 Jahren wirklich noch nicht so ausgelutscht, wie du bereits erwähnt hast.

Metro Last Light habe ich zwar noch vor mir, Tomb Raider gerade abgeschlossen, da muss ich dir auch recht geben, von Anfang an vorhersehbar, nicht wirklich nachvollziehbar und überflüssig (der gutmütige, pummelige Indio-Koch im roten Tanktop war übrigens der letzte Charakter dieser Gruppe, hat aber überlebt...).

Das umgekehrte Beispiel findet sich in Uncharted, wo ich zwischenzeitlich dachte, der beste Freund arbeitet für den Gegner, macht er dann aber doch nicht. Find ich auch nicht schlecht.
Frühere Feinde, die dann mit dir zusammen kämpfen, um den wahren, viel schlimmeren Bösewicht auszuschalten, aber dabei tragischerweise umkommen, sind wiederum inzwischen auch weniger kreativ.

Jedenfalls gibt es mittlerweile Genres/Serien, bei denen ich in den ersten Spielstunden fast schon danach Ausschau halte, wer denn der eigentliche Endgegner sein könnte, und bin alles andere als überrascht, wenn es letztendlich einer aus meinem nächsten Umfeld ist. Das nimmt einem dann eher den Spielspass als diesen zu fördern.

Sehr gute Blogidee - darüber musste mal diskutiert werden!
 
Danke für das Lob und deinen umfangreichen Beitrag! An den Koch aus Tomb Raider konnte ich mich irgendwie nicht mehr erinnern... Der hatte ja auch nicht wirklich eine wichtige Rolle außer ab und an das Boot zu steuern, oder? Da war auch noch ein zweiter Seemann, den man kaum kannte, aber dann plötzlich retten sollte. Der war dann das Kanonenfutter.

Mir geht es inzwischen leider ähnlich, dass ich fast schon erwarte "mal wieder" einem Verräter zu begegnen. Damit war auch der Punkt erreicht, an dem ich diesen Twist überhaupt nicht mehr leiden konnte :(

In kurzer Folge habe vor ein paar Wochen ich Castlevania - Lords of Shadows und dann Remember Me durch gespielt. Ich war RICHTIG frustriert, dass man hier eigentlich zweimal den selben Twist erfährt/spielt. Remember Me fiel dann aber beim Schreiben des Blogs weg (ich habe den Titel gestern noch aus der Liste am Anfang entfernt).
 
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