Vom unrunden Apfel

Goemon

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Woran erkennt man, dass Deutschland Gründungsmitglied der Europäischen Union ist? Richtig, alles ist genormt. Das beginnt beim Toilettenpapier, setzt sich über Nahrungsmittel und deren Vertrieb fort, mit Seitenabstechern zu Autospiegelgrößen, Plakettengewicht, Briefformatierung, Kugelschreiberfüllung, bis hin zu Vorschriften zur Testdurchführung und Kommissariatsurlaubsplanung. So werden beispielsweise Obst und Gemüse in drei Klassen (Extra, I und II) eingeteilt, was sich weniger auf die geschmacklichen und chemischen Qualitäten der Frucht bezieht, als vielmehr auf die optischen Reize. Wenn nun Äpfel nicht sphärisch genug, Birnen zu rund, Melonen zu klein oder Haselnussschalen zu dick sind, werden sie deklassiert und landen schlimmstenfalls in der industriellen Verarbeitung oder auf dem Müll.

Kategorisiere mich!
Eine Banane etwa wird nur dann gerade noch in die Klasse II aufgenommen, wenn ihre Formfehler und "Schalenfehler durch Kratzer, Reibung oder andere Ursachen [?] die Fläche insgesamt 4 cm² der Fingeroberfläche nicht überschreitet." Reife Bananen sind demnach vom Verkauf auszuschließen, da sie große braune Flecken aufweisen. Gut, dass das geregelt wurde, sonst könnte glatt jede dahergelaufene Südfrucht im Supermarkt abhängen.

Auch das Amtsdeutsch ist in jenen Fällen oftmals zwiespältig zu betrachten. So liest sich der Absatz IV.B, Größentoleranz, der Bananenregelung etwa: "In allen Klassen 10 % nach Anzahl Bananen, die nicht der Größensortierung entsprechen in einer Begrenzung auf 1 cm kleiner als die Mindestlänge von 14 cm." Schließlich kann man nicht einfach schreiben, dass maximal 10% der Bananen kürzer als 14 cm sein dürfen, das wäre zu einfach. Womit wir auch schon bei der Umsetzung wären. Wer durchwühlt denn bitte jede Kiste, vergleicht Farbschemata, misst etwaige Früchte nach und diskreditiert bei Bedarf den entsprechenden Großhändler? Hierfür wurde eigens europäisches Amtspersonal geschult, welches mit kritischem Blick und unter hohem steuerlichen Aufwand die Durchsetzung von Gemüse-Normen überwacht.

Weitere Gemüse-Gesetze
Überraschenderweise findet sich in der ganzen EU-Regelung kein einziger Paragraph zum Krümmungswinkel von Bananen. Aber EU wäre nicht EU, wenn man diesen offensichtlichen Fehler nicht bei anderen Bestimmungen wieder gut gemacht hätte. So dürfen etwa Gurken auf eine Länge von 10 cm bis zu 20 mm Krümmung aufweisen, um nicht in eine Sonderling-Kiste zu geraten. Hinzu kommen Form- und Farbfehler, Mindestgewichte, Gewicht-Längen-Proportion, Festigkeit, Erscheinungsbild, Verpackung, Etikettierung und Toleranzregeln. Bei diesem ganzen Gesetzeswahn wundert es nicht, dass die meisten Gurken die sich in europäische Händlerregale trauen, völlig gerade und von identischen optischen Eigenschaften sind. Noch viel weniger überrascht, dass sämtliche Erzeugnisse der ersten Güteklassen auch im kulinarischen Sinne totale Gurken sind. Es mag von nationaler Beständigkeit zeugen, wenn Gemüse immer nach Wasser schmeckt, schließlich ist ja reichlich Flüssigkeit drin. Aber zum Konsum kann jene Ware freilich nicht begeistern, gerade da das geschmacklich identische Leitungswasser vielerorts wesentlich billiger ist.

Natürlich müssen die Waren bereits vom Erzeuger einheitlich abgepackt und versandt werden. Und wehe, wenn da ein Apfel aus der Reihe tanzt, da wird sofort reklamiert! Denn alle Früchte mit zu hoher Klassierung sind Betrug am Kunden, alle zu niedrig eingestuften zählen durch ihre vorsätzliche Wertminderung zum Steuerbetrug. Ein weiterer Grund für niederländische und spanische Agrarunternehmer, nur Fruchtmasse der Klasse I zu verkaufen. Wie viel Wachstumsbeschleuniger, Kunstdünger, Pesti- und Herbizide dabei eingesetzt werden ist letztendlich völlig egal, nur das Ergebnis zählt. Das weiß auch der EU-Kontrolleur und sortiert daher fleckige Bananen aus, belässt jedoch gespritzte Zitronen, die oft schon vom Hinsehen Hautausschlag und Hodenkrebs erzeugen, in der Supermarkt-Kiste.

Die Wende?
Zum allgemeinen Erstaunen der Mitgliedsstaaten will die EU-Kommission ihre Gewächs-diskriminierenden Auflagen entschärfen. Irgendwie ist man auf die Idee gekommen, dass man auch dem Verbraucher ein Stück Entscheidungskraft überlassen könnte. Was gar nicht mal so unbeholfen klingt, wenn man bedenkt, wen so ein Verbraucherschutzgesetz letztendlich schützen soll. Eine vierte Güteklasse soll all jene Früchte enthalten, die der Industrienorm widersprechen, sich aber zum Verzehr eignen. Kommt die Kommission mit ihrem wahnwitzigen Plan durch, so gibt es vermutlich schon ab dem ersten Juli wieder Melonen, Birnen, Karotten und Rosenkohl von normalem variablen Erscheinungsbild im Händlerregal zu bestaunen. Phytische Ungeheuer wie das im unteren Bild dargestellte Kohlrabi-Äquivalent werden es wohl dennoch nicht in den Supermarkt schaffen.

Haupthintergrund ist freilich nicht die Entscheidungskraft des Kunden, sondern Entbürokratisierung des Handelssystems, was zu Entlastungen und Kosteneinsparungen führen soll. Naja, das Ergebnis zählt!
 
der Hoschi ist immer einer der ersten, die hier bewerten. Ist eigentlich egal, solange er nur mich trifft. Allerdings gibt es Wege solche Typen dingfest zu machen. Vielleicht sollte er daher aufhören bevor ich ihn für immer löschen lasse.
 
du willst jemanden löschen lassen, weil er deinen Blog nicht gut fand? Das ist jetzt zu geil ._.
 
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