Man mag mich jetzt Engstirnig nennen aber, das neue Gesetz existiert schon längst und in deutlich präziserer Form. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass sich keiner der Beführworter wirklich die Mühe gemacht hat und sich das Jugendschutzgesetz mal richtig angeschaut hat, ansonsten wäre ein so schwerwiegender Fehler doch aufgefallen. Dies lässt nur auf einen Entschluss schließen, der schnell gemacht wurde um die eigentlichen Probleme nicht lösen zu müssen, sondern um alles schnell unter den Teppich kehren zu können. Dies zerstört für mich das Vertrauen in die Kompetenz unserer Innenmenister.
Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 2 S. 3 JuSchG ist, dass "ein tatsächliches Geschehen wiedergeben" wird (ergo: reale Gewaltdarstellungen - z.B.
snuff,
happy slapping etc.), kein fiktives - Spiele sind also regelmäßig nicht im Anwendungsbereich des Paragraphen.
Anders verhält es sich mit S. 3 a: Der ist Resultat der von Ursula von der Leyen und Armin Laschet (als Reaktion auf die Verbotspläner der CSU) initiierten Mininovelle des Jugendmedienschutzes im letzten Jahr (der wir auch die neuen gigantischen USK-Kennzeichen zu verdanken haben). Präzise sind diese Indizierungskriterien aber nicht, abgesehen von der Definition des Tatbestandsmerkmales "grausam" (dieses wird in der Literatur regelmäßig wie das entsprechende Tatbestandsmerkmal bei Mord gemäß StGB interpretiert) - welche Gewaltdarstellung aber "besonders realistisch", reißerisch oder selbstzweckhaft sein soll, ist nicht objektiv festzustellen, sondern ein individuelles Unwertsurteil (es ist also eine Frage der Perspektive).
Nüchtern betrachtet ist die Gewalt in Spielen im Regelfall eben nicht "besonders realistisch" (Spiele sind auf Effektanz bedacht - also tendenziell eher absurde Blutfontänen, bei Beschuss meterweit durch die Gegend fliegende Weichziele und theatralische Sterbeanimationen -, dies widerspricht der Simplizität realer Gewalt, aber auch die Prüfer wurden so durch Medien sozialisiert, dass sie wohl ein verzerrtes Bild realer Gewalt haben - es fehlt auch ihnen glücklicherweise der Referenzwert, es zielt also darauf ab, was die Prüfer bei der BPjM spontan für realistisch empfinden)
Was reißerisch oder eben im Gegenteil eine adäquate, notwendige Inszenierung, resp. ein (z.B. für ein Genre typisches oder eben dezidiert Genregrenzen ingorierendes) Stilmittel ist, ist auch eine Frage des individuellen Gustos. Wir haben es bei Spielen generell mit Kunstprodukten zu tun (unabhängig von der individuell wahrgenommenen Qualität der Kunst), also Produkten kreativer Prozesse. Eine Darstellung als reißerisch zu diffamieren, mag als individuelles Werturteil zulässig sein, als Indizierungskriterium ist es aber die Ermöglichung staatlichen Kunstrichtertums - Geschmackszensur!
Gleiches gilt für das Kriterium der Selbstzweckhaftigkeit, ungeachtet der Tatsache, dass fiktive Gewaltdarstellungen nie Selbstzweckhaft sind, weil sich Sinn und Zweck, Rezeption (als Kognition, Interpretation und Bewertung) einer Darstellung nicht objektivieren lassen, sondern nur individuell möglich ist.
Für eine adäquate Rezeption fiktiver medialer Gewaltdarstellungen ist eine umfassende Medienkompetenz notwendig: Fiktive Medieninhalte sind codiertes Symbolmaterial, dass jeder Rezipient auf Basis individueller Sozialisation, Rezeptionssituation und Medienerfahrung und -geschmack unterschiedlich decodiert. D.h.: Man kann in eine fiktive Darstellung so viel interpretieren oder nicht interpretieren, wie man mag. Fiktive mediale Gewaltdarstellungen sind auch bereits deshalb niemals selbstzweckhaft, weil die Gewalt in Spielen z.B. immer kontextualisiert ist, entweder durch die
story (inkl.
setting u.ä.) u./o. Medienzitate, Referenzen auf das Genre, auf andere Spiele, andere Medieninhalte, reale Phänomene u.ä. Selbstzweckhaftigkeit in diesem Sinne existiert also nicht.
Und wann Gewaltdarstellungen das Spiel "beherrschen", ist auch eine Frage der individuellen Perspektive, der individuellen Präferierung/Priorisierung der Medienelemente und kein objektives Kriterium, insb. weil Gewalt kontextualisiert ist etc. (s.o.), Spieler unterschiedlich (und nicht homogen) spielen (ergo: rezipieren) und weil bereits die Wertung, ob und ggf. zu welchem Grad Gewalt dargestellt wird nicht objektivierbar ist, sondern eine Frage der Perspektive...
Die Jugendmedienschutznovelle hat also nichts präzisiert, im Gegenteil: Sie hat den Kanon unpräziser Indizierungskriterien erweitert und erlaubt damit z.B. der BPjM noch mehr Willkür, als es zuvor der Fall war. Die BPjM indiziert nicht, weil sie objektiv die Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen feststellen würde, sie indiziert, weil ihre Gremienmitglieder aus ihrer subjektiven Perspektive, ihrer Moral, ihrem Geschmack und ihrer Medienkompetenz meinen(!), die Kriterien seien erfüllt - leider wird diese Meinung allen Bürgern per Gesetz oktroyiert, obwohl sie nicht plausibler ist, als die Meinung eines willkürlich auf der Straße ausgewählten passanten, der "aus dem Bauch" heraus spontan über die Indizierung eines Spieles entscheiden soll.
Mit § 131 StGB ist es nicht anders bestellt...
Und das die Forschung keine Gefahren medialer Gewaltdarstellungen erkennen lässt, die so einen restriktiven Jugendmedienschutz wie in der BRD legitimieren könnten (ohne Gefahr ist kein Schutz nötig), ist noch mal ein ganz anderer Aspekt...