CD-Reviews

banana eater schrieb:
!?
Du warst doch von Call to Arms und Warriors of the World United begeistert!
Außerdem mach ich keinen Hehl draus, dass Nessun Dorma, An American Trilogy und Valhalla unbrauchbar sind.

Ja, ich bin von den beiden Liedern immernoch begeistert.
Die 2 + Fight for Freedom sind auch echt geil,aber der Rest ist einfach zu arg fürn Arsch um das Album wirklich gut zu finden.
Aber wie gesagt: war lang her..
 
10 Years - The Autumn Effect

So, nochmal neuer Stoff...

10 Years
The Autumn Effect

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Technische Daten
Label: Republic / Universal
Laufzeit: 57:27 Min.
Anzahl der Tracks: 13
Extras: Keine
Booklet: horizontal aufklappbares Band mit 5 Doppelseiten
Verpackung: Jewel Case

Tracklist
01. Waking Up (3:13)
02. Fault Line (3:51)
03. The Recipe (3:36)
04. Cast it Out (3:16)
05. Wasteland (3:49)
06. Seasons to Cycles (3:53)
07. Half Life (4:16)
08. Through the Iris (3:29)
09. Empires (2:41)
10. Prey (3:00)
11. Insects (4:22)
12. Paralyzing Kings (3:49)
13. The Autumn Effect (9:33)

Kritik
Während man sehnsüchtig nach dem nächsten A Perfect Circle-Output Ausschau hält, kann der "perfekte Kreis" mit dieser Scheibe übergangsweise locker geschlossen werden. Mit zugekniffenen Augen könnte dies hier nämlich locker der neue APC-Release sein. Sänger Jesse Hasek hört sich nur unwesentlich anders an als Maynard James Keenan bei APC; manchmal geht die Stimme leicht Richtung Daniel Johns (Silverchair).

Der Sound ist ebenfalls wie A Perfect Circle - durch einen Verstärker. Die pathetischen und atmosphärischen Elemente sind allesamt intensiver und farbenträchtiger. Das Album ist wirklich eine Entsprechung des düster-kalten, aber dennoch knallig-farbigen Herbstszenariencovers. Das geht alles zu Lasten der genialen Leichtigkeit eines "Thirteenth Step", das es mit Brillanz zu meistern wusste, am Rande der Popmusik zu balancieren, ohne in ihren Schlund zu fallen. "The Autumn Years" ist weniger subtil. Inmitten der wunderschönen Klangfelder bricht immer wieder die böse gestimmte E-Gitarre ein wie ein alles verschlingendes Monster, das einer Idylle die Nemesis ist.

So fehlt ein wenig das Feingespür dafür, das Ohr des Hörers auf die kleineren Nuancen zu lenken. “The Autumn Effect” ist auf Anhieb eingängig und einfach nur wunderschön. Es wird auch nie metallisch oder steril; wer nun glaubt, eine aggressivere Variante von A Perfect Circle müsse unweigerlich in die kaltschwarze Flüssigkeit eines Tool-Albums driften, sieht sich getäuscht. Dichte, permanent anschlagende Akustikgitarren erschaffen in “Seasons to Cycles” gemeinsam mit freundlichen Streichern die Basis für das nostalgische Gefühl, in einem vergangenen Jahreszeitenwechsel auf einer Wiese gesessen und dem rotbraunen Sonnenuntergang entgegengeschaut zu haben, umkreist von sanft im Abendwind flatternden Birkenblättern.

Und trotz seiner Schönheit auf Anhieb dürfte diese Scheibe auch den Langzeittest bestehen, denn Riffs werden kaum wiederholt und die Wechselhaftigkeit eines jeden Songs in sich und gegenüber seinen Nachbarn ist allgegenwärtig. Jeder Augenblick ist hier ein Augenblick für sich. Die komplette Stunde Musik ist ein einziger Flügelschlag eines Kolibris, jede Sekunde in dieser Stunde ein Einzelframe dieses Flügelschlags, der mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen ist. Das macht dieses Märchen so schön, denn genau das verleiht ihm Leben und verhilft ihm zu einer wirklichen, pragmatischen, tatsächlich existierenden Dimension neben der theoretischen Philosophie.

Silent Beauty, No One Cares
Silent Beauty, No One Is There

Und das ist die Philosophie hinter “The Autumn Effect”. Die Zelebration eines jeden Augenblicks im Wandel der Natur und der Welt. Der Zauber in der Form einer Blüte, ihrer signalstarken Farbgebung oder der Kraft, die ein Lebewesen braucht, um sich von selbst in der Luft zu halten. Manchmal wird diese Botschaft ein wenig zu brachial, zu stürmisch vorgetragen, doch mit Charme und Lebendigkeit lässt sich noch vieles positiv ausgleichen. Das haben “10 Years” hier mit Bravour zu Stande gebracht.
8/10

Extras
Keine Extras.
0/10

Artdesign
Das Cover wirkt vielleicht auf den ersten Blick ein wenig zu dick aufgetragen, einen Zauber kann man diesem Bild aber nicht absprechen. Das Besondere liegt darin, dass das Motiv eine Momentaufnahme zeigt - ein Kolibri im Flug - die aber ganz im Kontrast dazu abgebildet ist wie ein mühsam erstelltes Werk, das lange Zeit zur Fertigstellung benötigt hat. Hiermit wird die Bedeutung der Wertschätzung des Moments kolportiert. Magisch leuchtende Farben in einem moosgrünen Wald, der beinahe vollständig vom Dunkel verschluckt ist und an ein klassisches Märchen erinnert. Eine effektive Kurzbeschreibung der Musik, die sich auf dem Datenträger befindet.
8/10

Fazit
Man mag hervorbringen, dass “10 Years” mit “The Autumn Effect” nicht unbedingt stilistische Unabhängigkeit bewiesen haben. Besonders der Gesang weist mehr als bloße Ähnlichkeit mit Maynard James Keenan auf. Doch Musik, die so schön ist, kann - im Gegensatz zu Frauen - nicht falsch sein. Für APC-Fans ist dieses Album absolute Pflicht, wenn auch vielleicht nicht ganz deren Niveau erreicht wird. Dazu fehlt die Subtilität. Es reicht aber definitiv für eine Empfehlung, die keinen Zweifel zulässt.

Testequipment
AIWA NSX-SZ315

Weitere Bilder

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Er4zer schrieb:
Soooo viel Text da wird einem ja ganz schwummrig.:eek:
Fragt sich ob die Arbeit auch geschätzt wird, und sich die Leute das hier alles durchlesen...:rolleyes:

Vermutlich nicht. Eigentlich ist so ein einzelner Thread dafür auch ein bissl eng. Aber es ist nicht so, dass ich die Kritiken nur in diesem Thread veröffentliche, die gehen auch auf einer anderen Seite online. Insofern kann man das sozusagen als Zusatzangebot verstehen. FALLS eventuell mal jemand Interesse daran hat, das zu lesen...
 
Vince schrieb:
Vermutlich nicht. Eigentlich ist so ein einzelner Thread dafür auch ein bissl eng. Aber es ist nicht so, dass ich die Kritiken nur in diesem Thread veröffentliche, die gehen auch auf einer anderen Seite online. Insofern kann man das sozusagen als Zusatzangebot verstehen. FALLS eventuell mal jemand Interesse daran hat, das zu lesen...
Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir auch nur die beiden KoRn Posts durchgelesen. Bei den restlichen vegeht mir die Lust zu schnell. Aber trotzdem Respekt für die Mühe.:hoch:
 
Vince schrieb:
Vermutlich nicht. Eigentlich ist so ein einzelner Thread dafür auch ein bissl eng. Aber es ist nicht so, dass ich die Kritiken nur in diesem Thread veröffentliche, die gehen auch auf einer anderen Seite online. Insofern kann man das sozusagen als Zusatzangebot verstehen. FALLS eventuell mal jemand Interesse daran hat, das zu lesen...
doch doch vince
ich lese deine kritiken verdammt gerne
und das obwohl ich mit korn nix anfangen kann, aber ich lasse mich beim mitlesen gerne begeistern wenn jemand sein herzblut in seinen wortschatz legt!

du schreibst gerne und das merkt man. vorallem spürt man das deine augen wach sind und deine ohren nicht taub.
;-)
 
kelte schrieb:
doch doch vince
ich lese deine kritiken verdammt gerne
und das obwohl ich mit korn nix anfangen kann, aber ich lasse mich beim mitlesen gerne begeistern wenn jemand sein herzblut in seinen wortschatz legt!

du schreibst gerne und das merkt man. vorallem spürt man das deine augen wach sind und deine ohren nicht taub.
;-)

Na, sowas hört man doch gerne! :)
 
Mal auch von mir ein kleines Lob an die Rezensionen. Ich habe mir jetzt das Wochenende mit 10 Years um die Ohren geschlagen (verdammt, sind die eingängig).
Wann kommt eine Rezi zu Hurt? Sorg dafür das mehr Leute diese tolle Band kennenlernen. Schließlich können deine Texte überzeugen. :nice:
 
Vitek schrieb:
Mal auch von mir ein kleines Lob an die Rezensionen.
Danke sehr!

Ich habe mir jetzt das Wochenende mit 10 Years um die Ohren geschlagen (verdammt, sind die eingängig).
Ich hoffe, im positiven Sinne...?

Wann kommt eine Rezi zu Hurt? Sorg dafür das mehr Leute diese tolle Band kennenlernen. Schließlich können deine Texte überzeugen. :nice:
Da hast du wohl Recht, mehr Schmerz braucht die Welt.;) Das ist wirklich eine reviewwürdige Platte, die mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Kann sehr gut sein, dass da irgendwann mal was kommt. Leider ist mein CD-Review-Output, da ich hauptsächlich Filme bespreche, ziemlich gering.
Ist aber vorgemerkt!
 
Ein kleiner Lückenfüller, damit wir endlich mal auf ne neue Seite kommen...
 
So Vitek, dein Wunsch sei hiermit erfüllt. ;)

Hurt
Vol. 1

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Technische Daten
Label: EMI / Capitol Records
Laufzeit: 56:51 Min.
Anzahl der Tracks: 11
Extras: Keine
Booklet: 12 Seiten
Verpackung: Jewel Case

Tracklist
01. Shallow
02. Rapture
03. Overdose
04. Falls Apart
05. Forever
06. Losing
07. Unkind
08. Danse Russe
09. Dirty
10. Cold Inside
11. House Carpenter

Kritik
Was ist das eigentlich zwischen all den glänzenden, effekthascherischen Covern um Aufmerksamkeit buhlender Musiker im Regal beim CD-Händler? Dieses schlichte, matte Ding, das aussieht, als stamme es aus den Anfängen des Mediums. Undurchsichtige, schwarze Rillenscharniere im Jewel Case? Ich dachte, sowas gibt es gar nicht mehr... und dann das Coverdesign. Ganz schwarz, ein schlichtes Rahmenmuster, in der Mitte Bandname und Albumtitel. Und dann nennt man sich auch noch ganz einfach “Hurt”, und den Release “Vol. 1" - der Horror einer jeden Internet-Suchmaschine. Das muss hundertprozentig die erste Band auf diesem Planeten sein. Die müssen sich ihren Namen ausgesucht haben, als es sonst noch keine Namen gab. Denn heute würde sich bei den Massen von Bands mit “Hurt” im Bandnamen, Albumnamen oder Songnamen doch niemand mehr freiwillig so nennen. Das ist doch viel zu... normal.

Aber holla, das Massenlabel Capitol Records pusht da gerade eine Band, die sich erst 2004 gegründet hat. Die müssen ja entweder bescheuert, wahnsinnig oder einfach nur genial sein. Drei Alternativen, die sich auch auf das Debüt “Vol. 1" niederschlagen müssen.

Und man muss lange überlegen, für welche Alternative man sich entscheidet - am Ende darf aber ruhigen Gewissens die Tendenz “genial” gewählt werden, denn solche Ansätze finden sich in dem äußerlich schlichten, innerlich aber ungemein vielschichtigen Alternative-Stilmix, den die Band selbst mit Einflüssen von Nirvana, Tool und Metallica begründet. Und am Anfang waren drei Ikonen... aus drei unterschiedlichen, sich sogar teils widersprechenden Genres. Oder wie?

Aber tatsächlich, “Vol. 1" ist der totale kreative Erguss, “Hurt” ein Koch im absoluten Höhenflug, wild mit Zutaten gestikulierend, die man zwar irgendwie kennt, aber eben nicht in der Zusammenstellung. Ist das da etwa gerade tatsächlich fett groovender Progressive-Grunge, der da aus den Boxen tönt? Gibt es sowas überhaupt?
Hurt machen’s möglich und zeigen, dass nölige Emorotz-Schiene (Achtung, diese Wortkreation enthält keinerlei negative Konnotationen!) eines Kurt Cobain und perfektionistische Verspieltheit à la Tool sich durchaus vermengen können und nicht voneinander getrennte Schönheiten bleiben wie es auf Metallicas “S&M”-Album mit Heavy Metal und Klassik der Fall war. Das hörte sich zwar schön an, aber die bratzenden E-Gitarren blieben von der Klassikwand stets abgetrennt. Aber das hier? Kann man das in Worte fassen?

Nun, die Fakten: J.Loren singt sich voller Inbrunst in eine nicht selten zweistimmige Ekstase mit einfach göttlichen Melodien, lässt dabei auch mal die Kehle gegen die Innenwand seine Speiseröhre kratzen und wirkt dann mal schön dreckig. Eben so die Gitarren von Loren und Paul Spatola, die dröhnen tiefgestimmt, ABER höchst melodisch durchs akustische Gitter, während sich Joshua Ansley am Schlagzeug um den Verstand drummt, stets bemüht um wechselnde Taktfolgen und variablen Gebrauch seiner Instrumente. Und wenn dann noch orchestrale Elemente in den Hintergrund gemischt werden und später sogar ein ganzes Gewitter losbricht (ziemlich zeitgleich mit Tools “10,000 Days”, wo das Sauwetter ja auch zur Musik umfunktioniert wurde... das war ein regnerisches Jahr 2006), dann hat man das höchst ästhetische Gefühl, halb im Schatten stehend böse in die Kamera eines Filmteams zu schauen, einen Trenchcoat im Wind flatternd und von Regen und dem Druck des Basses umwirbelt zu werden. Der Soundtrack des coolen Antihelden des Neo-Noir.

Eine besondere Auszeichnung dieses Albums ist es auch, grundsätzlich kompatibel genug für die große Masse zu sein (wenn diese gottverdammte Masse doch nur endlich mal auf die Jungs aufmerksam werden würde) und dennoch den generellen intellektuellen Anspruch zu verbreiten, den der Progressive Metal für sich behauptet. Hurt mögen lange nicht so genial sein wie Tool, aber den eigenen Vorbildern haben sie dennoch voraus, greifbarer zu sein. Ein unwiderstehlicher Mix.

Aber diese wunderschöne Wechselhaftigkeit... am Ende ist sie es, die am meisten hängenbleibt. Lockere Gitarrenballaden neben progressivem Gefrickel, dramatischer Effektezauber mit einem orgastischen Höhepunkt, folgend auf eine deftige Rocknummer. Klarer Gesang, heller Gesang, Growling, Shouting. Percussion, Piano, E-Gitarre, Bass. Der Drummer im Vordergrund, die Stimme des Sängers, dann die Gitarre. Als würde man die rechte Hand in kaltes und die linke in heißes Wasser stecken. Und sich dann von warmem Sommerregen in einer kühlen Brise beträufeln lassen.

Aber das ist ja sicher nicht alles, denn ich bin überzeugt, “Vol.2" wird da noch einen draufsetzen. “Vol. 1" klingt nach grenzenlosem Potenzial. Es ist steigerungsfähig und diese Vorfreude auf noch Größeres, auch sie gehört zur Klasse dieses Erstlings, der irgendwie ganz Großes verlautbaren lässt. So geerdet die Aufmachung der Scheibe wirken mag, so groß ist das Abheberpotenzial der Combo. Mögen die Herren nicht den Überblick verlieren und vor allem auf dem Teppich bleiben. Die Briten von Amplifier, die nach ihrem starken Debüt ein großes Mundwerk bewiesen (es fielen wohl Worte wie “beste”, “Band” und “Welt”), ließen einen nur leicht überdurchschnittlichen Zweitling folgen. Den Amerikanern von Hurt wünscht man eine bessere musikalische Entwicklung. Alle Voraussetzungen sind geschaffen.
8/10

Extras
Keine Extras.
0/10

Artdesign
Wie schon in der Kritik verarbeitet: Ausgesprochen schlichtes Coverdesign, das man nicht unbedingt intuitiv des Motives wegen mitnehmen würde. Eigentlich ist nicht einmal so richtig zu erkennen, ob das Design absichtlich so “altbacken” und retrospektiv wirkt. Das wird dann erst im Innenleben des Booklets klar, das schon ein wenig an das Design von Silverchairs “Freak Show” erinnert. Alles Schwarzweißbilder mit Assoziationen zum Circus-Artdesign des angehenden 20. Jahrhunderts, merkwürdige Schriftformate und Bilder von Magie und Religion. Ein Blick wert ist übrigens auch die wirklich hübsche Homepage der Band.
4/10

Fazit
Fazit? Kaufen, zack zack! Sonst gibts nen paar hinter die Löffel! :wink:

Testequipment
AIWA NSX-SZ315

Weitere Bilder

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Auch ich danke für deine Reviews, Vince! :) V.a. das Review zu Catch without Arms zwingt mich doch fast dazu, meine dredg-Sammlung zu vervollständigen, nachdem ich nach Probehören im Laden von der Gradlinigkeit doch etwas enttäuscht war...

Ich schnapp mir jetzt mal die Verantwortlichkeit für die Retro-Ecke und beginne mit einem meiner Alltime-Classics:

MC5 - Kick Out The Jams

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Label: Elektra
Release: 1969
Genre: Acid Rock/Psychedelic Rock

Tracklist:

1. Ramblin' Rose (4:15)
2. Kick Out The Jams (2:42)
3. Come Together (4:29)
4. Rocket Reducer No. 62 (Rama Lama Fa Fa Fa) (5:41)
5. Borderline (2:54)
6. Motor City Is Burning (6:04)
7. I Want You Right Now (5:31)
8. Starship (8:15)

Laufzeit Gesamt: 40:05

Aus der Hippi-Bewegung stammt auch die Detroiter Band MC 5 (Abkürzung für "Motor City 5"), sie kamen jedoch deutlich aggresiver daher als viele "Flower Power"-Kollegen. Ihr Erstlingswerk, das Live aufgenommene "Kick Out The Jams" (das Werbeplakat dazu: "... and kick in the door if your store won't sell you this album"), wurde bejubelt, als Vorläufer des Metal und des Punk hingestellt. Leider ist die Band heute aus vielen Köpfen verschwunden, was an der niedrigen Produktivität liegt: Nur drei Alben brachte die Band heraus, die letzten beiden enttäuschten viele Fans, weil sich MC5 doch stark von seinen Wurzeln entfernte.

MC 5 funktioniert eigentlich ganz einfach: Verstärker auf volle Lautstärke, Gitarre an, losschrammeln. Im Vergleich zu vielen anderen Bands dieser Zeit ist Kick out the Jams einfache Musik. Auf große Experimente wurde, abgesehen vom letzten Stück, Starship, vielleicht, verzichtet. MC 5 hat die Einfachheit jedoch perfektioniert, die Stücke klingen klasse, die Live-Atmosphäre tut ihr übrigens dazu: Bier raus, Kopf schütteln, abfeiern. Wer das nicht möchte, darf Kick out the Jams getrost im Laden stehen lassen. Alle anderen sollten spätestens jetzt zuschlagen, denn das Album ist und bleibt ein Meisterwerk für Freunde einfacher, lauter, gitarrenlastiger Rockmusik.
 
Neil Young & Crazy Horse - WELD

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Tracklist:

CD 1

1. Hey Hey, My My (Into The Black) (5:42)
2. Crime In The City (6:33)
3. Blowin' In The Wind (6:48)
4. Welfare Mothers (7:04)
5. Love To Burn (9:58)
6. Cinnamon Girl (4:47)
7. Mansion On The Hill (6:14)
8. F*!#In' Up (7:09)

Laufzeit: 54:19

CD 2

1. Cortez The Killer (9:47)
2. Powderfinger (5:56)
3. Love And Only Love (9:19)
4. Rockin' In The Free World (9:22)
5. Like A Hurricane (14:00)
6. Farmer John (5:00)
7. Tonight's The Night (8:43)
8. Roll Another Number (5:21)

Laufzeit: 67:31

Laufzeit Gesamt: 121:49

Sicher, Neil Young ist Geschmackssache. Man muss den Menschen Neil Young nicht mögen (auch wenn er mir v.a. wegen seiner Unfähigkeit zu singen sehr sympathisch ist), man muss seine, qualitativ sehr unterschiedliche, Musik nicht mögen. Aber wenn man seine Musik mag, oder beginnen möchte, seine Musik zu mögen, kommt man an Weld nicht vorbei.

Das Livealbum Weld bedient ausschließlich die rockige Seite Neil Youngs. Selbst das im Original eigentlich eher poppige Crime in the City wurde auf dieser CD neu aufgelegt, wesentlich rockiger, eine Strophe weniger, aber vor allem auch: besser.

Natürlich sind auf Weld alle Hits vertreten, da unterscheiden sich die Live-Alben von Neil Young ja wenig. Hey Hey, My My ist dabei, Like A Hurricane und natürlich auch Tonight's the Night. Warum sollte man sich also Weld kaufen, wenn man die Hälfte schon auf andren Live-Alben drauf hat? Ganz einfach: Weil Weld der absolute Höhepunkt der musikalischen Karriere von Neil Young ist. Hier rockt die Bude. Allein die 14-minütige, excellente Version von Like A Hurricane ist den Kaufpreis wert. Weld ist Neil Young as its best - Satter Sound, viele und v.a. auch qualitativ hochwertige Improvisationen bestimmen die CD. Als Ausgleich zu den sehr rockigen Songs gibt es, auf der ersten CD, eine schräge und erstklassig gesungene Version von Blowin' in the Wind, auf der zweiten CD das Country-Trashige Roll another Number.

Wer Neil Young mag, wird Weld lieben. Wer Neil Young nicht mag, kann versuchen, sich mit dieser großartigen CD ihm anzunähern. Und wer ihn nicht kennt, der hat mit Weld die sicherlich beste Möglichkeit, ihn kennenzulernen.
 
MC 5 :hoch:
die waren Punk ihrer Zeit vorraus.
aufdrehen

ist leider ne band die heute vergessen ist
 
Mein bisheriges Album des Jahres:

Porcupine Tree
Fear Of a Blank Planet

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Technische Daten
Vertrieb: Roadrunner Records
Laufzeit: 50:48 Min.
Anzahl der Tracks: 6
Extras: Keine
Booklet: 12 Seiten
Verpackung: Jewel Case

Tracklist
01. Fear Of a Blank Planet – 7:28
02. My Ashes – 5:07
03. Anesthetize – 17:42
04. Sentimental – 5 : 26
05. Way Out of Here – 7:37
06. Sleep Together – 7:28

Kritik
Bei dem VÖ-Rhythmus von Workaholic Steven Wilson muss man langsam schon anfangen, die Qualität des Outputs in Frage zu stellen. Das letzte Studioalbum “Deadwing” ist zwei Jahre alt - das wäre nun für den Nachfolger “Fear Of a Blank Planet” eine relativ schnelle, aber noch gewöhnliche Zwischenzeit. Nur: Es folgten zwischendrin ja auch noch die erste Band-DVD “Arriving Somewhere...”, die Neuauflage von “Stupid Dream” inkl. 5.1-Mix und nicht zu vergessen das zweite “Blackfield”-Sideproject mit Aviv Geffen.
Das 6 Stücke umfassende “Fear Of a Blank Planet” schrieb Wilson offenbar immer nebenbei im Flugzeug auf den Reisen zwischen England und Israel, während er an “Blackfield II” arbeitete - anders ist nicht zu erklären, wie der Mann das alles unter einen Hut bekommen hat.

Aber es ist kein Traum, jetzt existiert es; ich halte es in meinen Händen und kann sagen, es ist beileibe kein 3-Minuten-Mikrowellenburger geworden, wie der Zeitplan vermuten lassen könnte, sondern die absolut folgerichtige Weiterentwicklung des Fortbestands der Band. In dieser Hinsicht perfect as perfect possibly can be.

Wer sich bei anderen Bands nach Jahren hin und wieder fragt, wohin des Weges es gehen soll, der kennt die Situation: Entweder entfremdet sie sich so stark von den eigenen Wurzeln, dass es den Fan schmerzt - da fallen mir Silverchair ein, die ebenfalls gerade mit “Young Modern” ihre Discographie erweitert haben - oder man tritt auf der Stelle und betreibt permanente Retrospektive. Doch was Porcupine Tree seit “Signify” machen, ist unvergleichbar: eine kontinuierliche Entwicklung ist zu erkennen, ohne dass jemals ein Stilbruch provoziert worden wäre. Das neue Album zeigt der Welt besser denn je, wie man wachsen muss. So gehört es sich. Es ist eine meisterhafte Linienführung zur Reife.

“Fear Of a Blank Planet”, eine gewisse Ähnlichkeit zum Public Enemy-Albumtitel “Fear Of a Black Planet” ist unverkennbar, führt die halluzinogenen Dystopien des Steven Wilson von einer leeren Welt fort. Schon “The Sound Of Muzak” beklagte das Abhandenkommen der Musik als Kunstform, eingetauscht gegen rhythmischen Unitarismus. Die sinnentleerte Zukunft ist Thema des neuen Silberlings, auf dem Wilson über Sex und Spiel als Zweckmäßigkeiten singt, die Spaß machen würden, aber nur ein Weg von vielen seien, die Zeit zu zerstören. Das Cover mit den kühlblauen Farben und einem Jungen mit leeren, eine endlose Leere wiederspiegelnden Pupillen knüpft an das Design von “In Absentia” an und entwirft ein leeres, kaltes Szenario mit düsterer Melancholie als roten Faden, nachdem mit “Deadwing” noch so etwas wie trügerischer Optimismus aufgekommen war.

Von seiner Titelanordnung hat das Album eine planetarische Struktur: Fünf Songs kreisen wie Monde um einen gigantischen Jupiter, der da lautet “Anesthetize” und stolze 17:42 Minuten auf dem Buckel hat. Er ist in jeder Hinsicht der gigantische Höhepunkt des 50-Minuten-Traumes, den Wilson scheinbar schlafwandlerisch mit einer Hand gemeistert hat, die offenbar unfähig ist, mit der Quantität die Qualität zu zerstören.
Und “Anesthetize” ist Gott. Die einstmals von Opeth geerbte Heavy Metal-DNA umwölbt das Album, ja die Band wie die Alien-Substanz Venom den Superhelden Spider-Man, nimmt ihm die harmlos-weiche, zum Teil gar ironische Seite und verwandelt ihn in ein schwarzglänzendes Ungetüm. Die Riffs auf dem Albenzentrum, unterstützt von einem Gitarrensolo des Gastmusikers Alex Lifeson, wirken in der Porcupine Tree-Welt authentisch wie nie, rigoros wie nie, ausdrucksstark wie nie. “In Absentia” und “Deadwing” behielten sich noch eine Restabneigung gegen härtere Töne, die dadurch ansatzweise Fremdkörper waren, wenn auch mit einem nicht zu leugnenden Reiz. Hier wird ein bis in die Spitzen brillanter Gegenentwurf geboten, der den ähnlichen “Arriving Somewhere But Not Here” noch übertrumpft, ohne zwangsläufig dessen Härte in der Mittelpassage zu erreichen. Doch es ist schlichtweg atemberaubend, wie man 18 Minuten Musik derart mit Leben füllen kann, nicht eine Sekunde langweilig erscheinen lässt. Auch dank des auftrumpfenden Richard Barbieri gelingt es Wilson, mit den hellsten Stern an seinem Kosmos zu zaubern. Längst ist er über da simple Schema vom Laut-Leise-Zusammenspiel von Metalriffs und Akustikgitarren mit Synthwelten hinweg, dieses Album hat eine eigene Biomechanik entwickelt.

Nach dem Herzstück ist das Album endgültig warmgelaufen und “Sentimental” bietet eine der schönsten, traurigsten Melodien überhaupt, die sich mit “Trains” oder “Collapse Light Into Earth” mühelos messen kann. Die Intensität raubt an manchen Punkten beinahe den Verstand.

Wenn man dem Album irgendwelche Schwachpunkte ankreiden will, dann ist es allenfalls der etwas schwerfällige Start über die ersten beiden Songs, die ihrerseits auch stark sind, ohne aber an den Rest anknüpfen zu können. Doch im Gesamten verdünstet “Fear Of a Blank Planet” dunkelblaue, flüssige Aura in Reinform. Am stärksten noch vergleichbar mit “In Absentia”, streut das neue Werk die wenigen Schwachpunkte von “Deadwing” allesamt beiseite und erreicht wiederum mühelos eine Weiterentwicklung. Eine neue Insel, die über Sicherheitshaken an die alten Planeten gekoppelt ist, die Porcupine Tree bereits besucht haben: Deadwing, In Absentia, Lightbulb Sun, Stupid Dream. Wenn das die Zukunft ist, muss man um eine leergefegte Welt keine Angst haben... sie wird voller Bedeutung sein.
9/10
 
Linkin Park
Minutes To Midnight


Cover
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Tracklist
1. Wake
2. Given Up
3. Leave Out All The Rest
4. Bleed It Out
5. Shadow Of The Day
6. What I've Done
7. Hands Held High
8. No More Sorrow
9. Valentine's Day
10. In Between
11. In Pieces
12. The Little Things Give You Away


Kritik
"Linkin Park" hat einen zünftigen Weichspüler-Waschgang hinter sich. Nach vier Jahren des reinenden Aufweichens in schäumender Plörre, der wirbelnden Rotation in der Waschtrommel und des triefenden Abhängens auf diversen Wäscheleinen bekommt der geneigte Nu-Rock-Anhänger nun eine Kuschelband im Wäschekorb serviert. Man erschreckt bei genauer Betrachtung. Sie scheinen gar nicht mehr zu passen. Vielleicht sind sie ja eingegangen...

Ja, sie sind wohl weich geworden, sagen die Einen. Einfach nur reifer und differenzierter, sagen die Anderen. Da ich "Linkin Park" sehr schätze, von Anfang an verfolge und jedes Album der stylischen Truppe mein Eigen nenne, schließe ich mich eher dem zweiten Urteil an.

Klar scheinen manche Nummern geradezu offensichtlich auf "Good Charlotte"-Rock, "Pink"-Attitüde oder "Avril Lavigne"-Teenie-Pop abzuzielen, sind aber meiner Meinung nach absolut eigenständige und auch sinnvolle Projekte. Böse Zungen behaupten, jetzt gegen Bush zu hetzen erhöhe die Absätze des Albums maßgeblich und sei deshalb unumgänglich für ein erfolgreiches Nu-Rock-Album im Jahre 2007. Mag sein, wer weiß das schon. Schließlich sitzen wir nicht im Management der Band. Ich behaupte aber, dass die Band nun - ganze vier Jahre nach "Meteora" - weiter gereift ist, musikalisch neue Wege antesten möchte und einfach auch erwachsenere Themenkomplexe in ihre Texte einflechtet. Blauäugig oder realistisch? Das muss jeder für sich entscheiden. Letztlich geht es hier doch um persönlichen Musikgeschmack.

Und meinem Geschmack kommt das bisher ruhigste Album der Band nicht ungelegen. Grundsätzlich liebe ich melodische Rap- und Rock-Balladen. Dass "Linkin Park" nun auch ruhigere Titel in diese Richtung auffahren, erfreut mein Musikerherz daher umso mehr. Doch wo Licht ist, gibt's auch Schatten. Was nämlich dabei auf der Strecke bleibt, sind härtere Gitarrenriffs und vor allem die so wunderbaren Scratches von "Executioner" Joe Hahn. Dessen Skills an den Turntables haben das Remix-Album "Reanimation" für mich zu einem der besten überhaupt gemacht. Das Teil läuft heutzutage noch hoch und runter bei mir.

Auch das Screaming von Chester Bennington hat drastisch abgenommen. Das mag für einige Hörer eine ansprechende neue Erfahrung sein, für andere eine absolute Katastrophe. Ich befürworte es eher. Da ich ab einem gewissen Grad an Schreierei sowieso kein Wort mehr verstehe. So versucht er seine markante Stimme nun etwas melodischer und ruhiger einzubringen. Damit reüssiert er in der herrlichen Rock-Ballade "Leave Out All The Rest" grandios und überzeugt auch in dem poplastigen "Valentine's Day" und dem pathetischen Schlusssong "The Little Things Give You Away", der den Opfern des Orkans "Katrina" gewidmet ist. Der Mann kann halt einfach auch singen.

Ein Urteil, welches man so nicht unbedingt auf den zweiten MC der Band ummünzen kann. Zwar gibt sich Mike Shinoda in dem depressiven "In Between" ungewohnt melodisch, stinkt aber im direkten Vergleich gegen seinen Band-Kollegen ganz klar ab. Dafür lässt der "Fort Minor"-Frontmann seine Rap-Skills in der mit Orgel unterlegten Ballade "Hands Held High" eindrucksvoll aufblitzen. Dabei definiert er erstmals und explizit die politische Meinung der Band. Gegen Krieg, gegen Terrorismus, gegen Bush. Wer hätte das gedacht?

Schade ist an dieser neuen gesanglichen Konstellation aber, dass beide Sänger bis auf eine Ausnahme - nämlich den Party-Song "Bleed It Out" - auf "Minutes To Midnight" getrennte Wege gehen. Entweder es singt der Eine oder der Andere. Das ehemalige Vorzeige-Rap-Scream-Duo will sich also nicht mehr auf diese Schiene festlegen lassen, das ist ganz offensichtlich. Auch das ist sicherlich ein Punkt, der vielen Fans sauer aufstoßen wird.

Ob man sich mit dem neusten Projekt von "Linkin Park" so recht anfreunden kann oder nicht, liegt wohl auch an den individuellen Erwartungen an das Album. Wenn man der Band eine gewisse Veränderung - und ich nenne es eben Reifeprozess - zugesteht, wird man sich auch als eingefleischter LP-Fan an so mancher Nummer erfreuen können. Wer jedoch eine logische Weiterführung von den Song-Konzepten der Vorgängeralben erwartet, wird mit Sicherheit enttäuscht werden. Die Lieder sind eindeutig ruhiger, aussagekräftiger und melodischer geworden.

Wurden die Nu-Rock-Superstars also durch den Weichspüler gezogen? Vielleicht. Aber keine Sorge, hier und da kratzen sie noch auf der Haut. Nicht mehr so garstig wie früher, aber eine gewisse Kratzbürstigkeit kann man ihnen dennoch nicht absprechen. Von einer Perwoll-Kuschelweich-Band sind sie jedenfalls noch einige Waschgänge entfernt.


Wertung
8/10
 
:hoch: Danke Crizzo! Gibt ne feine Kritik ab. Da ich Komplettist bin, wird die Scheibe wohl irgendwann auch in meinem Besitz sein; da es eine Mainstreamscheibe ist, wird sie wohl auch sehr schnell als Angebot in niederen Preisregionen zu finden sein, und dann bin ich da, um mal zuzuschlagen.
 
So, auch noch schnell meine Kritik zum LP-Album, damit wir eine Gegenstimme haben:

Und die Musikwelt schrie wieder auf: Linkin Park bringt endlich ein neues Album! Jaaaa, jaaaaa! Unglaublich!

Ist das wirklich so unglaublich? So aufregend?

Rekapitulieren wir mal: Abzüglich aller merkwürdigen Sideprojects, Livealben, Rapper-Koalitionen und Remix-Alben bleiben vom Mythos Linkin Park gerade mal zwei Studioalben übrig, die gemeinsam nicht einmal an die durchschnittliche Laufzeit einer Prog-Scheibe erreichen. Eine Stunde Nu Metal, für die sich eine Generation jahrelang die Seele aus dem Leib gekreischt hat. Das muss man Bennington & Co. lassen, sie sind hervorragende Selbstvermarkter und wissen, wie man für die Masse schreibt.
Musikalisch bedeutsam war dabei nur die erste halbe Stunde, die auf den Namen “Hybrid Theory” hört, und als sie die Welt der Rockmusik wesentlich mitbeeinflusste, das war eine Zeit, die nun schon seit Äonen vorbei zu sein scheint. “Meteora” miefte schon nach uninspirierter Selbstkopie und der Rest war gar unbrauchbarer Plastikmüll, den die Welt nie gebraucht hätte.

Nun ist es ein merkwürdiges Bild, wenn man sich vorstellt, wie gestandene Rockmillionäre dem Produzenten Rick Rubin vor die Füße kriechen und ihn anflehen: Bitte, bitte, hol uns aus dem kreativen Loch raus. Hilf uns! Dieses Bild wurde jedenfalls weltweit von den Medien transportiert und “Minutes to Midnight” hat das Image eines spektakulären Restarts weg. Das Cover sagt alles aus: Schwarze Silhouetten, die bedächtig an einem Strand stehen und hinter sich nichts als lupenreines Weiß - Watch Out, Here We Go Again - und nichts wird sein wie früher.

Irgendwie stimmt das sogar. “Minutes to Midnight” klingt wie nichts, was Linkin Park je gemacht haben. Vielen Fans wird das vermutlich sogar reichen, um das Versprechen der einstigen Nu Metal-Helden eingelöst zu wissen.
Doch dass sich die dritte vollwertige Studioscheibe wie nichts von Linkin Park vorher anhört, bedeutet ja nicht, dass es nicht trotzdem stinklangweilig sein kann, was unter Rubins Aufsicht auf den Silberling gepresst wurde. Und das ist es leider auch. “Minutes to Midnight” ist ein Langweiler erster Güte, ein slowrockiges, balladeskes Ungetüm von einem Rockalbum voller Ballast und Belanglosigkeit. All Fillers, No Killers.

Naja, fast. Nach dem obligatorischen Intro geht es zunächst doch ziemlich stark los. “Given Up” ist sicher nicht frei von Schwächen, vor allem das abgestandene Endneunziger-Nu Metal-Riff traut sich heutzutage sonst keine Band mehr auf ihr Album zu packen. Und doch ist dies hier die löbliche Ausnahme, was die vermeldete Aufbruchstimmung der Band anbelangt. Ein rhythmisches Klatschgeräusch, ein fetter Beat drunter und dann legt Chester los wie in alten Tagen, er krächzt und screamt und singt und shoutet mit einer unverwechselbaren Hingabe, die kurz hoffen lässt, dass es doch noch was wird mit dem neuen LP-Release. Ab Minute 2:30 wird es sogar bombastisch, als der Mann zum fast schon minutenlangen Screamo ansetzt, der schier gar nicht mehr aufzuhören scheint.

Doch schon ab “Leave Out All The Rest” wechselt das Album in die REM-Phase - und damit ist nicht die Band gemeint, sondern tatsächlich der Tiefschlafmodus. Hundertprozentig schlecht sind die Songs ja nicht, aber doch sehr seicht und in ihrer Belanglosigkeit rufen sie vor allem Verärgerung hervor. Das ist formloser Pop, dafür braucht es keine Band wie Linkin Park, das kriegt jede frisch formierte Truppe aus dem Bandbaukasten genauso gut hin.

Schnell fällt dann auch das Fehlen von Mike Shinoda auf, der sich auf ganz wenige Auftritte beschränken muss. Die Tatsache, dass Linkin Park Gesang und Rap auf zwei Personen verteilten, nabelte sie Anfang des Jahrtausends noch von der (gewaltigen) Konkurrenz ab und galt als unverkennbares Markenzeichen; zum Zwecke der Neukonzeptionierung fiel diese Komponente nun beinahe vollkommen in das ans Coverartwork anliegende Gewässer. Es gibt von mir keinerlei Einspruch gegen diese Neuerung, denn sie hätte Linkin Park sinnvoll modernisieren und zur Alternative-Rockband machen können. Doch dann hätte man so konsequent sein und Shinoda endgültig zu Fort Minor schicken sollen. So bekommt er mit “Hands Held High” eine künstliche Nische, die musikalisch katastrophal ist und auch sonst gar nicht ins Konzept des Albums passen mag und darf in “In Between”, einem weiteren Tiefpunkt der Scheibe, sogar seine begrenzten Gesangskünste beweisen. Nein, danke - entweder so oder so, aber nicht so ein unentschlossenes Zwischending.

So dominiert leider elegisch und sinnfrei dahintreibender Schmusequatsch wie “Valentine’s Day”, “Leave Out All The Rest” und “Shadow Of The Day” das Gesicht von Minutes to Midnight, untersetzt von peinlich schlechten Rap-Exkursen, nur um vereinzelte Höhepunkte wie “Given Up” oder “No More Sorrow” wie Bojen im seichten Wasser dahintreiben zu lassen, verloren und vergessen. Klar hört man heraus, dass jemand mal richtig ausmisten wollte und den Glauben der Jungs an ihre eigene Musik stelle ich auch nicht in Frage - ich selbst kann und will aber nicht an sie glauben und kann mir nur schwer vorstellen, dass irgendein objektiver Musikfreund dazu überhaupt in der Lage wäre. Die Fähigkeit, gute Songs zu schreiben, würde ich Linkin Park trotz allem noch nicht absprechen. “Minutes to Midnight” ist das Ergebnis einer Session von hunderten von Demos. Mit Sicherheit sind es nicht die besten Songs, die am Ende auf das Album gefunden haben - es sind höchstens diejenigen, die den Musikern und dem Produzenten am naheliegendsten erschienen. Und manchmal greift man eben daneben. Eine nachträgliche Veröffentlichung von B-Sides könnte womöglich größere Früchte bringen.
4/10
 
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