So Vitek, dein Wunsch sei hiermit erfüllt.
Hurt
Vol. 1
Technische Daten
Label: EMI / Capitol Records
Laufzeit: 56:51 Min.
Anzahl der Tracks: 11
Extras: Keine
Booklet: 12 Seiten
Verpackung: Jewel Case
Tracklist
01. Shallow
02. Rapture
03. Overdose
04. Falls Apart
05. Forever
06. Losing
07. Unkind
08. Danse Russe
09. Dirty
10. Cold Inside
11. House Carpenter
Kritik
Was ist das eigentlich zwischen all den glänzenden, effekthascherischen Covern um Aufmerksamkeit buhlender Musiker im Regal beim CD-Händler? Dieses schlichte, matte Ding, das aussieht, als stamme es aus den Anfängen des Mediums. Undurchsichtige, schwarze Rillenscharniere im Jewel Case? Ich dachte, sowas gibt es gar nicht mehr... und dann das Coverdesign. Ganz schwarz, ein schlichtes Rahmenmuster, in der Mitte Bandname und Albumtitel. Und dann nennt man sich auch noch ganz einfach “Hurt”, und den Release “Vol. 1" - der Horror einer jeden Internet-Suchmaschine. Das muss hundertprozentig die erste Band auf diesem Planeten sein. Die müssen sich ihren Namen ausgesucht haben, als es sonst noch keine Namen gab. Denn heute würde sich bei den Massen von Bands mit “Hurt” im Bandnamen, Albumnamen oder Songnamen doch niemand mehr freiwillig so nennen. Das ist doch viel zu... normal.
Aber holla, das Massenlabel Capitol Records pusht da gerade eine Band, die sich erst 2004 gegründet hat. Die müssen ja entweder bescheuert, wahnsinnig oder einfach nur genial sein. Drei Alternativen, die sich auch auf das Debüt “Vol. 1" niederschlagen müssen.
Und man muss lange überlegen, für welche Alternative man sich entscheidet - am Ende darf aber ruhigen Gewissens die Tendenz “genial” gewählt werden, denn solche Ansätze finden sich in dem äußerlich schlichten, innerlich aber ungemein vielschichtigen Alternative-Stilmix, den die Band selbst mit Einflüssen von Nirvana, Tool und Metallica begründet. Und am Anfang waren drei Ikonen... aus drei unterschiedlichen, sich sogar teils widersprechenden Genres. Oder wie?
Aber tatsächlich, “Vol. 1" ist der totale kreative Erguss, “Hurt” ein Koch im absoluten Höhenflug, wild mit Zutaten gestikulierend, die man zwar irgendwie kennt, aber eben nicht in der Zusammenstellung. Ist das da etwa gerade tatsächlich fett groovender Progressive-Grunge, der da aus den Boxen tönt? Gibt es sowas überhaupt?
Hurt machen’s möglich und zeigen, dass nölige Emorotz-Schiene (Achtung, diese Wortkreation enthält keinerlei negative Konnotationen!) eines Kurt Cobain und perfektionistische Verspieltheit à la Tool sich durchaus vermengen können und nicht voneinander getrennte Schönheiten bleiben wie es auf Metallicas “S&M”-Album mit Heavy Metal und Klassik der Fall war. Das hörte sich zwar schön an, aber die bratzenden E-Gitarren blieben von der Klassikwand stets abgetrennt. Aber das hier? Kann man das in Worte fassen?
Nun, die Fakten: J.Loren singt sich voller Inbrunst in eine nicht selten zweistimmige Ekstase mit einfach göttlichen Melodien, lässt dabei auch mal die Kehle gegen die Innenwand seine Speiseröhre kratzen und wirkt dann mal schön dreckig. Eben so die Gitarren von Loren und Paul Spatola, die dröhnen tiefgestimmt, ABER höchst melodisch durchs akustische Gitter, während sich Joshua Ansley am Schlagzeug um den Verstand drummt, stets bemüht um wechselnde Taktfolgen und variablen Gebrauch seiner Instrumente. Und wenn dann noch orchestrale Elemente in den Hintergrund gemischt werden und später sogar ein ganzes Gewitter losbricht (ziemlich zeitgleich mit Tools “10,000 Days”, wo das Sauwetter ja auch zur Musik umfunktioniert wurde... das war ein regnerisches Jahr 2006), dann hat man das höchst ästhetische Gefühl, halb im Schatten stehend böse in die Kamera eines Filmteams zu schauen, einen Trenchcoat im Wind flatternd und von Regen und dem Druck des Basses umwirbelt zu werden. Der Soundtrack des coolen Antihelden des Neo-Noir.
Eine besondere Auszeichnung dieses Albums ist es auch, grundsätzlich kompatibel genug für die große Masse zu sein (wenn diese gottverdammte Masse doch nur endlich mal auf die Jungs aufmerksam werden würde) und dennoch den generellen intellektuellen Anspruch zu verbreiten, den der Progressive Metal für sich behauptet. Hurt mögen lange nicht so genial sein wie Tool, aber den eigenen Vorbildern haben sie dennoch voraus, greifbarer zu sein. Ein unwiderstehlicher Mix.
Aber diese wunderschöne Wechselhaftigkeit... am Ende ist sie es, die am meisten hängenbleibt. Lockere Gitarrenballaden neben progressivem Gefrickel, dramatischer Effektezauber mit einem orgastischen Höhepunkt, folgend auf eine deftige Rocknummer. Klarer Gesang, heller Gesang, Growling, Shouting. Percussion, Piano, E-Gitarre, Bass. Der Drummer im Vordergrund, die Stimme des Sängers, dann die Gitarre. Als würde man die rechte Hand in kaltes und die linke in heißes Wasser stecken. Und sich dann von warmem Sommerregen in einer kühlen Brise beträufeln lassen.
Aber das ist ja sicher nicht alles, denn ich bin überzeugt, “Vol.2" wird da noch einen draufsetzen. “Vol. 1" klingt nach grenzenlosem Potenzial. Es ist steigerungsfähig und diese Vorfreude auf noch Größeres, auch sie gehört zur Klasse dieses Erstlings, der irgendwie ganz Großes verlautbaren lässt. So geerdet die Aufmachung der Scheibe wirken mag, so groß ist das Abheberpotenzial der Combo. Mögen die Herren nicht den Überblick verlieren und vor allem auf dem Teppich bleiben. Die Briten von Amplifier, die nach ihrem starken Debüt ein großes Mundwerk bewiesen (es fielen wohl Worte wie “beste”, “Band” und “Welt”), ließen einen nur leicht überdurchschnittlichen Zweitling folgen. Den Amerikanern von Hurt wünscht man eine bessere musikalische Entwicklung. Alle Voraussetzungen sind geschaffen.
8/10
Extras
Keine Extras.
0/10
Artdesign
Wie schon in der Kritik verarbeitet: Ausgesprochen schlichtes Coverdesign, das man nicht unbedingt intuitiv des Motives wegen mitnehmen würde. Eigentlich ist nicht einmal so richtig zu erkennen, ob das Design absichtlich so “altbacken” und retrospektiv wirkt. Das wird dann erst im Innenleben des Booklets klar, das schon ein wenig an das Design von Silverchairs “Freak Show” erinnert. Alles Schwarzweißbilder mit Assoziationen zum Circus-Artdesign des angehenden 20. Jahrhunderts, merkwürdige Schriftformate und Bilder von Magie und Religion. Ein Blick wert ist übrigens auch die wirklich hübsche Homepage der Band.
4/10
Fazit
Fazit? Kaufen, zack zack! Sonst gibts nen paar hinter die Löffel! :wink:
Testequipment
AIWA NSX-SZ315
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