Der Durchbruch der Videospiele

Falconer

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Bis Sonntag lädt die Spiele-Branche zur Leistungsschau Gamescom nach Köln und meldet Fakten, die die Bedenkenträger alarmieren. Fast 60 Millionen verkaufte Spiele pro Jahr! Die Branche setzt mehr um als Musik- und Filmindustrie. Der Durchbruch in die Mehrheitsgesellschaft ist endgültig vollzogen.

Vielen Leuten älteren Semesters macht das Angst. "Was kommt da auf uns zu?" fragen sie sich. Man kann Entwarnung geben. Wenn den Kulturpessimisten noch immer zuerst Killerspiele, Suchtverhalten und verfettende Kinder einfallen, liegt das zuallererst an der eigenen Abscheu vor dem relativ jungen Medium. Lebte der Bildungsbürger früherer Generationen sein Kulturpessimismus an Schundromanen, Horror-Filmen oder Rockmusik aus, zielt er nun auf das jüngste Kind der Massenkultur.

Dabei sollte man Bedenken gegenüber Dauerzockerei nicht grundsätzlich wegwischen. Die Kinder in unseren Breitengraden werden ja tatsächlich dicker, unsportlicher, eventuell sogar aggressiver. Nur sind die Games das Symptom, nicht die Ursache. Eltern, die wissen, womit ihr Kind wie lange spielt, müssen sich vor Computern und Konsolen nicht fürchten. Wer sich nicht darum schert, der braucht keine Games, um sein Kind zu vernachlässigen. Auch die Art von Studien, die zum Ergebnis haben, dass gewalthaltige Spiele negative Auswirkungen auf das Sozialverhalten haben könnten, sollte die Zocker-Fraktion nicht reflexartig ignorieren. Diese Ergebnisse zeigen aber eigentlich immer auf, dass dieser Effekt nur eintreten kann, wo Kinder in verrohtem Umfeld aufwachsen. Einem medienkompetenten Erwachsenen muss man Ego-Shooter ebenso wenig schlecht machen wie Actionfilme, Heavy Metal oder auch blutrünstige Literatur. Zumal andere Studien zeigen, dass z.B. Teamspiele kooperatives Verhaltern fördern oder Strategie-Games Gestaltungstrieb und Inspiration schulen können.

Vor allem aber übersieht der Kulturpessimist, dass Spielen zu den ältesten Beschäftigungen der Menschheit zählt. Spielerisch erschließen wir die Welt. Jede Menge erfolgreiche Games wenden sich an Familien und Jugendliche. Und auch über 40jährige Akademiker verstecken ihre Konsolen schon lange nicht mehr und lesen in Bus und Bahn ohne Scham Spielezeitschriften mit "Kindercover".

Videospiele sind die Gesellschaftsspiele der Gegenwart. Auf Partys wird die Konsole zur Karaoke-Maschine. An Regentagen holt sie den Fußball- oder Tennisplatz ins Wohnzimmer. Am Abend trifft man sich dank ihr am virtuellen Lagerfeuer auf einer Waldlichtung oder holt sich den Adrenalinkick auf dem programmierten Schlachtfeld. Letzteres klingt schlimmer als es ist. Aber das weiß nur, wer seine Antipathie nicht so lange vor sich her trägt, bis sie zur reinen Ignoranz wird.
 
Das Problem ist wohl eher die Etikettierung...dass "Killerspiele" auch als "Spiele" bezeichnet werden. Kleingeister verketten den Begriff dann mit Unterhaltung für Kinder.
Ist vielleicht ein kleiner Kulturschock, dass etwas, das als "Spiel" bezeichnet wird, auch etwas sein kann, das nur für ältere Jugendliche oder Erwachsene gedacht ist.

Genauso wie Hentai aus Japan: Nur, weil es animiert ist, bedeutet es nicht, dass es für Kinder gedacht ist.

Stimme Dir aber sonst voll zu :)
 
Ich finde Sophismus ja häufig ganz lustig, aber dennoch inakzeptabel. Ein großer Teil der Jugend spielt ? und das zu hause auf dem Hintern. Hier eine gesundheitliche Belastung aufgrund des Konsums der Spiele auszuschließen, ist imo falsch. Klar: Andere Medien schaffen das auch; das Fernsehen ist für den Bewegungsmangel ebenso verantwortlich wie das Internet usw. Sie sind zusammen mit anderen Faktoren die Ursache des Problems.

Die Studien sagen allesamt so gut wie gar nichts aus, weil sie viel zu jung sind. Weder Studien, die gute Seiten der Spiele zeigen, noch jene mit für Spiele negativen Ergebnissen, können eindeutige Schlussfolgerung ziehen. Das Fach, welches dieses Thema behandelt, ist zudem überhaupt gar nicht genug erforscht. Ums auf den Punkt zu bringen: Auf sämtliche Studien ist zu scheißen. Vorerst.

?[?] ältesten Beschäftigungen der Menschheit zählt?
Mit dem Unterschied, dass man heute mit dieser Beschäftigung Geld verdient und da liegt wie immer das große Problem?

?Massenkultur?
?oder besser: Kulturindustrie?
Die Spieler müssten langsam mal Distanz gewinnen. Ich denke, dass sie das jetzt schon dürfen, denn aus meiner Sicht sind sie schon längst in die Kultur integriert. Distanz gewinnen, dass bedeutet die Augen zu öffnen. Z.B. mal die Spielekultur zu kritisieren, weil sie Gewalt zum Konsum missbraucht und so was.
 
balthier, danke für das ausführliche Feedback. Kann ich großteils mitgehen, wobei meine verkrampft-kritische Haltung zum Thema sich in den letzten Jahren etwas gelockert hat. Man wird älter und ruhiger. Ergebnis ist u.a. dieser, ich gebe zu sehr Pro-Gaming-lastige, Blog.

Du schreibst u.a. "Die Spieler müssten langsam mal Distanz gewinnen. Ich denke, dass sie das jetzt schon dürfen, denn aus meiner Sicht sind sie schon längst in die Kultur integriert. Distanz gewinnen, dass bedeutet die Augen zu öffnen. Z.B. mal die Spielekultur zu kritisieren, weil sie Gewalt zum Konsum missbraucht und so was."

Der Satz könnte von mir sein. Wenn hier in dieser Community in der Vergangenheit die Spielerschaft kritisiert wurde, ihre Ignoranz gegenüber Auswüchsen des Zockens bzw. der gesamten Branche, dann war ich ja wohl mit an der Spitze. Was habe ich schon auf die Ohren bekommen, weil ich das Gejammere und die teils unreflektierte Dummheit nicht ertragen habe. Distanz habe ich ohne Ende. Wir ticken in der Hinsicht sehr ähnlich, mein Lieber. Stell' mich bitte nicht in die falsche Ecke. Das machst Du bei politischen Diskussionen schon sehr gern.
 
Gerade aber in den politischen Diskussionen scheinen wir nicht ähnlich zu ticken.
Wenn ich dich nicht in die gefürchtete Ecke schieben soll, dann erkläre mir, wie ich einen totalen Pro-Blog deuten soll, der wider besseren Wissens veröffentlicht wurde? Des Alters wegen? Sentimentalität? Gute Stimmung verbreiten?
Wie auch immer.
 
Totaler Pro-Blog??? Nee, balthier, da lies nochmal genau nach... Pro ja, total nein. Wir sind ja beide hier schon ne ganze Weile aktiv. Ich war z.B. keiner von denen, die Regine Pfeiffer verhöhnt haben, als sie mit ihrer Kritik auf Cynamite aufschlug. Dutzende Male habe ich von Zockern, Spielepresse und -herstellern gefordert, dass sie endlich aus ihrer Jammerlappen-Position heraustreten und beweisen sollen, dass sie Jugendschutz ernst nehmen. Hätte gehofft, dass Du ein paar ältere Kämpfe in Erinnerung hast.

Deine Haltung in politischen Diskussionen finde ich in der Tat nicht gut. Deine Weltsicht ist die richtige, daran hast Du nicht den Hauch eines Zweifels. So etwas finde ich unreif und anmaßend. Das passt nicht zu Deiner offensichtlichen Intelligenz. Ich sage aber auch ganz klar: Lieber streite ich mit jemanden, dessen Meinung ich nicht teile, als Banalitäten der üblichen Art und Weise auszutauschen. Bin ja froh, dass hier Menschen mit erkennbarer politischer Grundhaltung unterwegs sind. Auch wenn ich sie (scheinbar?) nicht teile.
 
?und trotzdem dieser Pro-Blog ? von mir aus ohne ?total?. Die Kritik sitzt immer noch einsam da und wartet, dass der Bus kommt.

PS: Diese restlichen Wörter dort werden, wie eigentlich üblich, von mir in der PN beantwortet. Persönliche Dinge, persönliche Nachricht ? yeah, well, well, yeah!
 
Pro-Blog ja. Du hast recht.

Persönlich Dinge... auch ein Ja. Post hattest Du ja schon vor 01:35 Uhr. :-)
 
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