Mirror's Edge Catalyst (Xbox One)
Liebhaber besonders anmutender Grafik müssen jetzt sehr stark sein, denn das Spiel setzt keine neuen Maßstäbe. Allerdings gibt es auch keine 360-Grafik, wie manche behaupten. Trotzdem könnten insbesondere die Texturen der Gesichter von Menschen im Spiel, inklusive der NPCs, etwas hübscher sein. Das sieht teilweise sehr matschig und unecht aus.
Die Weitsicht dagegen ist an manchen Orten phänomenal und fast alles was man sieht, kann man auch zu Fuß oder später per Schnellreise erreichen. Die nun offene Spielwelt ist abwechslungsreich gestaltet, die spezielle Farbegebung des Originals wurde aber beibehalten. Große Abgründe überwindet die fast unveränderte Protagonistin Faith aus dem Vorgänger mit dem neuen Kletterhaken, dem sogen. MAG-Rope, der sich prima in das bekannte Repertoire einfügt.
Das Gameplay wurde aus dem Vorgänger übernommen, aber nochmal stark verbessert. Sprünge, Wallruns usw. sind jetzt wesentlich präziser. Auch das Martial Arts-Kampfsystem wurde ausgebaut, denn Faith kann jetzt keine Schußwaffen mehr benutzen. Die Verbesserungen werden jetzt durch Upgrades freigeschaltet, die man mit Erfahrungspunkten kaufen kann. Das verleiht dem Spiel einen kleinen Hauch von Rollenspiel und motiviert auch langfristig.
Erfahrung gewinnt man durch Hauptmissionen, Nebenmissionen oder jeder Menge Sammelkram, den man in der Stadt namens "Glass" überall finden kann.
Besonders knifflig sind die Gridnode-Run Nebenmissionen. Dort muss man auf eine Art Turm klettern, darf nicht die Alarm auslösenden Laserstralen berühren und muss erst gut planen, wo man hinspringen muss, um ans Ziel zu gelangen. Ein paar hundert Erfahrungspunkte bringen auch gehackte Werbetafeln, deren Zugänge manchmal sehr gut versteckt sind. Auch hier muss man ein wenig ausprobieren und knobeln, bis man mit einem Aha-Erlebnis belohnt wird. Ist man online, können andere Spieler das eigene Logo sehen, welches man (etwas umständlich) auf der Mirror's Edge Homepage anpassen kann.
Sei es drum, das sprinten, rollen, gleiten und hechten mit Faith fühlt sich großartig an und geht nach ein paar Spielminuten sofort in Fleisch und Blut über. Wenn ein Wort zu einem Spiel passt, dann hier "Flow"! Denn den braucht man auch, um schnell an ein Ziel zu gelangen oder Gegnern zu entkommen.
Auftauchende Gegner sind das Ergebnis der Story, denn die gibt es natürlich auch und die ist gar nicht mal so schlecht. Es geht um den Verbleib der Schwester von Faith und natürlich einem Bösewicht, der etwas damit zu tun hat und die Stadt mit seinem Technologiekonzern kontrolliert. Faith kommt wieder als Runnerin zum Einsatz und wird das ein- und anderemal mit unerwarteten Storywendungen konfrontiert. Mir hat die Story gut gefallen. Die Zwischensequenzen sind von der Marke "sehenswert".
Neu ist die Online-Komponente. Man kann entweder eine Art Geocache an beliebigen Orten hinterlassen, die sogen. Beat L.E.'s, oder man erstellt selber ein Time Trial irgendwo in der Spielwelt, wie es einem passt und veröffentlicht es. Man muss lediglich darauf achten, dass sich in der unmittelbaren Umgebung nicht bereits eine Herausforderung eines anderen Spielers befindet. Beschänkt man die Herausforderungen auf die Freundesliste, hat man für gewöhnlich mehr Platz um selber Parkour-Kurse zu erstellen.
Möchte man Erfahrungspunkte sammeln um sich Upgrades zu kaufen, muss man aber die bereits im Spiel integrierten Herausforderungen annehmen. Dort ist bei einem Dash (auch eine Art Time Trial während ein Countdown läuft) die Zeit aber extrem knapp berechnet, so dass die rote Leuchtspur der Runners-Vision (eine optionale Ideallinie) keine Hilfe mehr ist. Dann muss man selbst eine Abkürzung finden oder sich mit Upgrades einen Geschwindigkeitsvorteil verschaffen.
Mit dem Sammelkram wurde ein wenig übertrieben. Manche Sammelgegenstände, wie z.B. die sogen. Grid-Leaks, schweben zudem wie riesige Pillen in einem Super Mario in der Gegend herum und wirken in der recht real dargestellten Welt ziemlich deplatziert.
Neben den gelegentlich auftretenden Mikrorucklern (die den Spielfluss aber nicht stören) und der recht erbärmlichen Kantenglättung, ist Mirror's Edge Catalyst aber ein hervorragendes Action-Adventure/Jump & Run aus der Ego-Perspektive geworden. Wer den Vorgänger nicht kennt, sollte vorsichtshalber trotzdem lieber mal probespielen. Das Spiel ist eine echte Perle, aber wie der 7 1/2 Jahre alte Vorgänger, nicht jedermanns Sache.
(8,5/10)