Nach rund 150 Spielstunden habe ich nun den Abspann gesehen. Die Hauptstory war relativ kurz gehalten, man war meistens mit Nebenmissionen beschäftigt, die in einem Kräuter-Sammel- und Scherben-Suchwahnsinn ausarteten. Mir persönlich hat es Spaß gemacht durch die verschiedenen Landstriche zu laufen. Aber ich kann es verstehen, dass nicht jeder daran Spaß findet, hunderte von Gegenständen zu sammeln oder endlos groß erscheinende Gebiete bis auf den letzten Winkel zu erkunden.
Der Einstieg war nicht ganz einfach, das Spiel wirft den Spieler in relativ kaltes Wasser und erklärt nicht viel. Das hochleveln war auch sehr mühsam, aber am Ende war ich menschlicher Krieger Level 23 und auf dem normalen Schwierigkeitsgrad fast unbesiegbar. Zu mächtig sind Runen, Waffen und Rüstungen, wenn man sie mit seinem unglaublich vielen gesammelten Zeugs selber herstellt.
Die Gegnervielfalt hielt sich in Grenzen, aber die zehn im Spiel verteilten Drachen waren allesamt sehr majestätisch anzusehen und auch spielerisch eine ziemliche Herausforderung. Anders als bei The Witcher 3 ist man in einer KI-gesteuerten 4er Party unterwegs und kann seine Crew entsprechend ausrüsten. Das kann Vorteile im Kampf bieten, aber bei Sprung- und Kletterpassagen stehen die Kameraden einfach nur oft im Weg herum.
Dragon Age: Inquisition ist grafisch keine Schönheit und kann sich mit The Witcher 3 nicht messen. Dafür ist das Kampfsystem ausgewogener und die große Spieltiefe erwähnenswert. Figuren und Gesichter sehen bei der Konkurrenz aber wesentlich lebensechter aus. Dragon Age-typisch sind die Gesichter von Inquisition steif und wie aus Wachs, sie glänzen unnatürlich.
Die Landschaften sind aber alle sehr hübsch gestaltet und auch abwechslungsreicher als bei The Witcher 3, das quasi nur aus zwei sehr großen Gebieten besteht. Es gibt Wüsten, Schneelandschaften, Wälder, Einöde und bizarre Felsformationen aller Formen und Farben. Natürlich kann man dort die unzähligen Sammelstücke finden, die geschickt in die Landschaft eingesteut worden sind. Es gibt gelegentliche Partikeleffekte wie Sandstürme und Schneeflocken, aber dynamisch ist das Wetter nicht. Da wäre mehr drin gewesen, die Xbox One stößt bei diesem Spiel keinesfalls an ihre Grenzen und das Spiel sieht stellenweise nach Xbox 360-Niveau aus. Dafür ist die Bildrate aber sehr konstant und es kam so gut wie nie zu erwähnenswerten Rucklern.
Sehr gut haben mir die Soundeffekte gefallen. Besonders in der Oase hört man Paradiesvögel, das leise plätschern des Wassers und quakende Frösche im wogenden Schilf. Aber auch die Kämpfe sind wuchtig und mit orchestraler Musik unterlegt. Die deutsche Synchro ist gut, die Sprecher bekannt und meistens werden die Dialoge lippensynchron wiedergegeben. Leider haben die Dialoge nur wenig Einfluss auf die Geschichte, aber immerhin kann man auch wieder eine Romanze beginnen, wenn man denn möchte.
Zu erwähnen ist noch der Kriegsrat, eine Art Reißbrett, mit dem man sich taktische Vorteile verschaffen kann. Ist an einer Stelle im Spiel beispielsweise ein Eingang zu einer Mine verschüttet, kann man in seiner Heimatbasis Himmelsfeste den Kriegsrat aufsuchen und einen Trupp Soldaten entsenden, die dann den Zugang freilegen. Solche Aufträge können von 5 Minuten bis zu mehreren Stunden Realzeit dauern, je nach Gewichtigkeit des Auftrags. Mit diesen Aufträgen kann man sich auch Macht verdienen, mit der man dann neue Hauptmissionen freischalten kann.
Ärgerlich waren die langen Ladezeiten beim hin- und herreisen zwischen den großen Gebieten und der Himmelsfeste. Trotz Installation auf einer USB 3.0-Festplatte musste man teilweise über eine Minute lang warten bis ein Gebiet geladen wurde.
Alles in allem ein gutes Rollenspiel von Bioware für relaxte Jäger und vor allem Sammler. Echte Abenteurer, die mehr Action wollen oder epische und dramatische Höhepunkte suchen, sind beim Hexer Geralt besser aufgehoben.