Sniper Elite III: Afrika (Xbox One)
Mein erstes Sniper Elite und das eher wegen Spielemangel auf der Xbox One, als aus Begeisterung für den Zweiten Weltkrieg. Ich hatte mir nicht allzuviel von dem Spiel versprochen, doch es entwickelte sich nach und nach zu einem richtigen Geheimtipp!
Vom Setting her gab es keine großen Überraschungen: Britischer Elitesoldat bekommt Spezialaufträge in Nordafrika und kommt einer deutschen Superwaffe auf die Spur. Das ist wirklich nicht sonderlich spannend, zumal es nur ganz wenige kurze Zwischensequenzen gibt und die schwache Story nur eine Rahmenhandlung für die außerordentlich gute Spielmechanik bildet.
Die reißerische und ultrabrutale Killcam, mit der das Spiel wirbt und der Grund dafür war, dass die Vorgänger in Deutschland indiziert waren, ist zwar nichts für schwache Nerven. Allerdings hat man sich nach einer Stunde an den Nahaufnahmen der Treffer in Skelett und Gedärme der Gegner "sattgesehen". Die Kamera ist daher abschaltbar, was auch sinnvoll ist, wenn man mal in hektische Situationen gerät.
Eindeutig steht die Spielmechanik im Vordergrund, so ganz nach dem Motto: Leicht zu lernen, schwer zu meistern. Im Gegensatz zur Sniper: Ghost Warrior-Reihe steuert man seinen namenlosen Helden aus der dritten Person, ähnlich wie in der Ghost Recon-Reihe. Jedoch beschränken sich die Aktionen nicht nur auf schleichen und snipern. Man kann auch allerhand Fallen aufstellen, Fahrzeuge sabotieren, Minen legen, Nahkampfattacken ausführen oder Geschütze mit Dynamit sprengen. Man kann ein Feuer legen oder Steinchen werfen um Gegner abzulenken oder in einen Hinterhalt zu locken.
Das alles macht in den acht langen Missionen sehr viel Spaß, da die Karten sehr groß ausfallen und individuelle Spielweisen zulassen. Jede Karte vermittelt ein regelrechtes Open-World-Feeling. Wer allerdings Rambo spielen will hat es nicht leicht: Der Feind schlägt früh Alarm und ruft Verstärkung. Lebensenergie regeneriert sich nur in geringem Maße und Verbandspäckchen oder -Kästen sind nur begrenzt vorhanden. Rückt der Feind sogar mit Kettenfahrzeugen an, hilft meistens nur die Flucht. Auch nach einem lauten Schuß empfiehlt sich ein Stellungswechsel, da der Feind einige Zeit nach der Geräuschquelle sucht.
Bis dahin alles bestens, nur in vielen Situationen ist die KI leider nicht Next-Generation-würdig: Wenn der Gegner eine Leiche findet, schlägt er keinen Alarm, sondern ist nur in erhöhter Aufmerksamkeit. Auch wenn sich die Leichenberge stapeln kommt keiner der KI-Kameraden auf die Idee, es könne sich um einen Hinterhalt handeln. Leichen kann man zwar verstecken, da dieses aber oftmals gar nicht nötig ist, kann man es sich auch sparen.
Das macht das Spiel auch unnötig einfach und es stellt selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad "Meisterschütze" keinerlei Herausforderung an den Spieler dar und stellenweise langweilt es sogar, wenn man einfach die gegnerischen Reihen nach und nach dezimiert und nach einem Kill jeweils einen Stellungswechsel vollzieht und kurz abwartet, bis die gegend wieder sicher ist. Nur in wenigen Levels wird es schwer, meistens dann wenn man von feindlichen Scharfschützen selbst aufs Korn genommen wird. Dann wird das simple absuchen des Geländes mit dem Fernglas schon mal zu einer gefährlichen und spannenden Angelegenheit.
Das Waffenarsenal beschränkt sich auf eine handvoll Scharfschützengewehre, die aber alle aufrüstbar sind. Dazu kommt eine Sekundärwaffe (die aus diversen Maschinenpistolen besteht) und einer Pistole, zu der auch die berühmte Welrod gehört und die einzige schallgedämpfte Waffe im Spiel ist. Alles wirkt sehr authentisch und auch die Orte der Handlung gibt es in der Realität. Etwas unrealistisch ist das markieren der Feinde mit dem Fernglas auf den einfachen und normalen Schwierigkeitstufen. Einmal markiert, kann man jeden Gegner auch hinter Wänden oder Felsen sehen. Bis zu acht Feinde kann man gleichzeitig markieren.
An Grafik und Sound gibt es bei Sniper Elite 3 eigentlich fast gar nichts bemängeln. Bugs und Clipping-Fehler kommen vor, sind aber sehr selten. Die Bildrate bleibt bis auf wenige Ausnahmen stabil und gibt keinen Anlaß zur Klage. Die Umgebung in 1080p ist als hübsch zu bezeichnen. Zwar fallen einem nach ein paar Stunden immer wieder die gleich aussehenden Zelte oder Sandsäcke auf, wirklich stören tut das aber nicht, weil die abwechslungsreichen Landschaften, Oasen, Wüstendörfer oder Gebirgspässe wirklich spektakulär und gut aussehen, besonders wenn plötzlich ein deutscher Tiger-Panzer dröhnend um die Ecke kommt.
Etwa ein Drittel des Spiels spielt nachts, wo man in der Totenstille nur die eigenen Schritte im Sand und das gelegentliche Rufen einer Eule hört. Durch die hübsche Beleuchtung des Spiels ist die Immersion fast perfekt.
Fazit: Sicher ein Spiel das viele so nicht auf dem Schirm hatten. Für 55€ zwar kein Schnäppchen, aber auch kein nur durchschnittliches Spiel. Wenn man sich an höhere Schwierigkeitsgrade wagt, sollte man für jede der acht Mission mindestens drei bis vier Spielstunden einplanen. Das ist ordentlich, denn es warten auch noch Herausforderungen, ein Koop- und ein Versus-Multiplayer auf den Spieler. Zusätzlich zu den vielen Sammelobjekten, die im Spiel zu finden sind kann man also eine Menge Zeit und Spaß mit Sniper Elite 3 haben. Wer Schleichshooter und Szenarien im WWII mag, sich an einer etwas spartanischen Präsentation nicht stört und mit kleinen Eigenheiten leben kann, kann nicht viel falsch machen.
(8/10)