Sunset Overdrive (Xbox One)
Nach rund 40 Spielstunden habe ich die Apokalypse dann doch überlebt. Sunset Overdrive ist eines von ganz wenigen Spielen, die einem für immer im Gedächtnis bleiben werden, vorausgesetzt man läßt sich auf den eigenwilligen Humor ein.
Ich habe selten so oft schunzeln müssen und habe mich an vielen Stellen im Spiel und bei den vielen Kommentaren meines namenlosen Helden wiedererkannt. Sunset Overdrive ist eine Folge Big Bang Theory in Überlänge, ein Infamous Second Son auf LSD, eine spielbare Satire mit Nietenarmband, eine Homage an alle Hardcore-Gamer im wahrsten Sinne des Wortes: Sunset Overdrive ist HARDCORE!
Der Humor mag nicht jedem gefallen, intellektuell anspruchslos macht er sich über alle Gaming Klischees lustig, die man in den letzen zehn Jahren in der Öffentlichkeit für erwähnenswert gehalten hat. Das beginnt bei den 18 Respawn-Animationen, wo der selbst kreierte Held mal wie Samara in The Ring aus einem Fernseher krabbelt oder mal aus einem vorbeifahrenden Lieferwagen geworfen wird, und endet bei den vielen Waffen und Fallen, denen jede einzelne ein liebevolles witziges Tutorial Video gewidmet wurde.
Die Grafik ist als liebevoll zu bezeichnen. Die Weitsicht ist gut, Texturen detailliert und Animationen hervorragend. Besonders die zahlreichen Explosionen sind beeindruckend. Eine Brandexplosion sieht eben auch in der Natur anders aus, als eine durch TNT ausgelöste und von den kleinen Atombomben fange ich hier erst gar nicht an!
Wer genau hinsieht, stellt leicht ins Bild fadende Texturen bei der Weitsicht fest, oder Texturen bei der Klamottenauswahl, die zwei Sekunden brauchen um sich vollständig aufzubauen. Aber darüber kann man angesichts der gesamten Darstellung einer so brillianten und bunten Spielwelt locker hinwegsehen. Ebenso selten sind Bugs oder Framedrops. Nicht unbedingt gewöhnlich für ein Sandbox Game.
Der Sound ist für meinen Geschmack sehr gelungen. Der Post-Punk von eher unbekannteren Bands wie
FIDLAR steht für den treibenden Soundtrack des Spiels. Aber auch die Melvins haben samt King Buzzo einen Gastauftritt. Wer mit dieser Musik gar nicht klarkommt hat ein Problem, denn auch das Spiel ist ähnlich treibend und unermüdlich wie dessen verrückte Handlung um einen Energy Drink Konzern, deren Gesöff ekelige rosa Beulen-Zombies, die O.D.'s, erschaffen hat.
Die Struktur des Spiels ist klar aufgebaut. Es gibt eine Stadt mit vier Gebieten. Die sind alle auf den ersten Blick gleich kunterbunt, aber man stellt nach einer gewissen Spielzeit doch klare Unterschiede im Aussehen fest. Jedes Gebiet wird von einer Fraktion bewohnt, für die man Aufträge erledigt, um in der Story voranzukommen. Es gibt Nerds, Japano-Freaks, LARPer und tätowierte Latino-Krankenschwestern, die so klingende Namen haben wie Oxfords, Fargarthianer, Bushido-Bande und Las Catarinas. Nach und nach besucht man diese Fraktionen und erfüllt ihre Aufträge. Dafür bekommt man Geld und den sogen. Overdrive Energy Drink. Das dient als Bezahlung für allerlei Waffen, Munition, Karten und Upgrades.
Die Upgrades, auch Amps genannt, kann man in einem rollenspielähnlichen Crafting-System weiterentwickeln und seinen Helden so immer stärker werden lassen. All das scheint einen zu Beginn zu überfordern, aber mit der Zeit durchschaut man das an sich logische System.
Ebenso undurchschaubar scheint zu Anfang die Steuerung zu sein. Aber nach ein paar Stunden Übung, vor allem wenn man den erweiterten Bounce und den Luftschub in den Hauptmissionen freigeschaltet hat, wird aus hakelig dann flüssig. Dann funktioniert das grinden (das sprinten in Sunset Overdrive) und bouncen (springen) wie von Geisterhand, als hätte man nie etwas anderes in einem Spiel machen wollen.
Durch diese Aktionen löst man dann ganz von selbst Kombos aus, die mehr Schaden verursachen und noch mehr Sachen explodieren lassen, als es ohnehin schon der Fall im Spiel ist.
Dazu kann man noch Fallen in Tower-Defense Spielabschnitten aufstellen, wie man sie aus Gears of War Judgement kennt, aufstellen.
Wem das alles noch nicht genug ist, der kann sich im Multiplayer austoben, wo es sehr chaotisch zugeht. Ich empfehle aber erst das Spiel durchzuspielen, denn der aufgelevelte Charkter mit allen Waffen wird direkt im Multiplayer verwendet. Mit einem Anfänger-Charakter hat man also wenig Gewinnchancen. Man kennt sich nach dem durchspielen der Kampagne dann auch besser in der (übersichtlichen) Stadt aus und kommt so schneller zum Ziel.
Zu erfähnen bleiben noch die Herausforderungen, in denen man Minispiele gegen die Freundesliste absolviert. Als Belohnung winken Overdrive und Spielgeld, das man in Waffen und unzählige Klamotten investieren kann. Allerdings werden die meisten davon auch erst im Verlauf der Einzelspielerkampagne freigeschaltet.
Fazit:
Sunset Overdrive ist nicht unbedingt ein Kaufgrund für eine Xbox One. Dazu ist das Spiel einfach zu speziell. Einfaches Spieldesign der Marke: "gehe dort hin, töte alle Gegner und bringe mir diesen Gegenstand zurück", gewinnt durch den brachialen audiovisuellen Humor eine ganz neue Dimension. Dazu kommt extrem flüssiges und vor allem dynamisches Gameplay mit einem gut ausbalancierten Schwierigkeitsgrad. Da ein Bildschirmtod keine weiteren Konsequenzen hat, als gelegentlich einige Missionen wiederholen zu müssen, ist das Spielprinzip klar auf Spaß ausgerichtet. Was Forza Horizon 2 für Rennspielfans darstellt, das ist Sunset Overdrive für Liebhaber von herzhafter Third Person Action mit einer Prise Overkill und einem Schuß kunterbunten Wahnsinn.
(9/10)